Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
konnte bedeuten, dass sich die Dokumente >nach< oder >hinter< etwas anderem befanden, denn in der Tat waren auch viele andere Titel mit >Na.< oder >Hi.< gekennzeichnet, um ihren Platz in der Reihe anzugeben. >Bu. Ac.< hieß womöglich >achtes Buch< oder auch >achtzigstes<, wobei nur die Frage war, worauf sich diese Nummerierung bezog. Sicher schien nur, dass die Dokumente irgendwo bei einem dieser überall im Palast verstreuten Symbole versteckt waren, vielleicht in einer vierten Reihe, als achtes Buch hinter irgendetwas. Aber wo?
Dubhe seufzte und legte sich auf den Rücken, mit dem Pergamentblatt unter dem Kopf. Sie durfte den Mut nicht verlieren. Mittlerweile war sie der Lösung schon recht nahe, und sie wusste auch, dass es nicht unmöglich sein würde, Dohor zu töten. Sie sah sich schon in sein Gemach eindringen, an das Bett des schnarchenden Königs treten und den Dolch erheben. Und sie wusste, dass der Jubel, der seine Ermordung begleiten würde, dann nicht von der Bestie käme. Es würde ihr eigener sein, eine echte, ehrliche Freude.
Aber danach? Einmal hatte sie einen Priester sagen hören, dass leben warten bedeute. Man setze sich Ziele, die man verwirklichen möchte, und das Dasein verrinne dann in der Erwartung, dass sie erreicht werden. Aber nach jedem Erfolg müsse man einen neuen Weg, ein neues Ziel erkennen, das man anstrebe, andernfalls könne es keine Zukunft geben. Am Ende ihres Weges standen nun die Ermordung Dohors und die Vernichtung der Bestie. Aber war dieses Ziel ein Herzenswunsch von ihr, ein Ziel, das ihrem Leben einen Sinn gab? Und vor allem, welchen Weg würde sie vor sich erkennen, wenn dieser letzte Mord verübt war?
Lonerin hatte sie das häufiger gefragt. Und sie war immer wütend geworden, wenn er bezweifelt hatte, dass es wirklich ihr größter Wunsch war, gerettet zu werden. Vielleicht hatte er damals gar nicht so Unrecht, sagte sie sich jetzt, zur Decke hinaufstarrend. Bei der Vorstellung, wieder nach Makrat zurückzukehren und sich dort erneut als Einbrecherin durchzuschlagen, fühlte sie sich furchtbar einsam. Lonerin kämpfte für die Aufgetauchte Welt, und Theana ebenfalls. Und sie selbst? In ihrer Seele war nichts als eine große Leere, die unmöglich zu füllen war.
Da fiel ihr Learco ein. Auch er trug eine ungeheuer schwere Last, hatte aber die Kraft gefunden, seinem eigenen Weg zu folgen. Wie Dubhe festgestellt hatte, glaubten sie an die gleichen Werte. Und eben deswegen war er wie eine verbotene Frucht, nach der sie keinesfalls greifen durfte. Wollte sie Dohor töten, musste sie sich diese Zuneigung, die sie für ihn spürte, aus dem Herzen reißen. Denn saß er erst selbst auf dem Thron, würde er ihr nachstellen lassen in seinem ganzen Reich, um den Tod seines Vaters zu rächen. Und sollte er dies nicht aus freien Stücken tun, würden es die anderen hohen Vertreter des Hofes sein, die ihn dazu zwangen.
Dubhe warf sich auf die andere Seite.
Es hat keinen Sinn, dass ich mich mit diesen Gedanken Quäle. Ich muss mich so verhalten, als sei ich mir meiner Sache vollkommen sicher, so als wünschte ich mir nichts mehr auf der Welt. Denn ich will nicht sterben. Das spüre ich mit aller Macht. Ich will nicht, und ich kann nicht. Nur das allein soll mich leiten.
Doch dieses Gefühl der Leere wollte nicht weichen. So lag sie im Dunkeln da und starrte zu Theana hinüber, während ihr die Worte, die sie vor einiger Zeit gewechselt hatten, durch den Kopf gingen.
>Und wohin hat es dich bisher geführt, dieses Nichts, das dir so lieb ist?<
Die Entscheidung
Die Luft riecht nach Blut. Learco kennt ihn mittlerweile, diesen metallisch süßen Geruch, der in den Nasenflügeln festklebt. Die ersten Male hat es ihm noch den Magen umgedreht. Für Forra hingegen ist es der schönste Duft der Welt, und er lässt keine Gelegenheit aus, sich die Lungen damit Zu füllen. Der Wind peitscht über die Ebene und wirbelt Staubwolken auf. In der Ferne schnaubt der Thal, der mächtigste Vulkan im Land des Feuers, doch Learco hört es nicht. In seinen Ohren hallen noch die Scbmerzensschreie und das Schwerterklirren nach. Hier liegt das ganze Wesen des Todes, in dieser dröhnenden, schwer zu ertragenden Stille. Er zittert und hat Mühe, das Schwert zu halten: Durch das Blut ist das Heft glitschig geworden. Er wünscht sieb jetzt nur noch, dass das Geräusch seines eigenen Atems diese Leere füllen möge. Doch die Stille scheint alles zu verschlingen, sogar das zischende Geräusch, wie die Luft
Weitere Kostenlose Bücher