Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
wollte sterben, und das durch meine Hand. Und arglos habe ich seinen Wunsch erfüllt.« Sie fuhr herum, in der Befürchtung, in der Miene des Prinzen das gleiche unerträgliche Mitleid wie so häufig bei Lo nerin zu sehen. Das hätte sie nicht ertragen, und ihre Augen wurden feucht. Learco aber nahm sie nur in den Arm, gab ihr die Möglichkeit, alles herauszulassen. Und während ihr die Tränen über die Wangen liefen, genoss Dubhe jeden Augenblick dieser innigen, unerwarteten Berührung. Dann löste er sich von ihr, nahm ihr Gesicht in die Hände und näherte seine Lippen den ihren. Ihr war, als bewege sie sich auf einen Abgrund zu, fürchtete hinabzustürzen und sehnte sich gleichzeitig danach. Schließlich war die Versuchung so stark, dass sie jeden Widerstand aufgab. Sie ließ sich küssen, und im Nu erfüllte die süße Berührung sie mit einem neuen unbekannten Gefühl, das so wunderschön war - und gefährlich. Die Lippen des Prinzen waren weich und feucht, und Dubhe spürte eine Wärme, die vom Mund bis zum Unterleib ausstrahlte, sie erfüllte und die Kälte vertrieb, die sie eben noch beherrscht hatte. Im Dunkeln riss sie die Augen auf, fast befürchtend, dass es nicht wahr sei. Dann kam sie zu sich und machte sich ruckartig los. Fassungslos und ein wenig vorwurfsvoll sah sie Learco an.
Er schien verlegen. »Verzeih mir, ich ...«
Sie ließ ihn nicht ausreden, sprang auf und entfernte sich wortlos in Richtung Vorhalle. Learco eilte ihr nach und ergriff ihre Hand.
»Es tut mir leid, ich wollte dich nicht vertreiben ...«
»Ich kann nicht«, sagte sie und schaffte es dabei nicht, ihn anzuschauen. Dann machte sie sich los und lief hinunter zu ihrer Kammer.
Dort angekommen, blieb sie stehen, trat aber nicht ein. Im Zimmer war Theana, doch sie musste unbedingt allein sein. So schlich sie in die Küche und nutzte dazu den Schlüssel, den Volco ihr gegeben hatte, damit sie ihre Aufgaben zu jeder Tageszeit verrichten konnte.
Hier warf sie sich zu Boden, zog die Beine an bis zur Brust und begann zu weinen, erstickte das Schluchzen an den
Knien, fühlte sich verwirrt und haltlos. Auf den Lippen spürte sie noch Learcos weichen Mund, und sie wusste, dass sie noch nicht genug hatte. Sie litt, denn sie war sich sicher, dass sie nicht mehr ohne ihn sein konnte. Wie ein Rauschmittel, wie ein süßes Gift war er unter ihre Haut gekrochen und ließ sie nun nicht mehr los. Um von dem Fluch erlöst zu werden, musste sie all das verdrängen, was sie für ihn empfand, seinen Vater töten und ihn sich dadurch zum Feind machen. Aber ohne Learco würde es auch keine Rettung für sie geben, das begriff sie jetzt mit schmerzlicher Klarheit.
Sie setzte sich auf und nahm den Kopf zwischen die Knie, während sie sich mit einem verzweifelten Lächeln fragte, ob es ihr zuvor nicht sogar besser gegangen war, als ihre Tage nur trüb gewesen waren und es noch nicht einmal die Hoffnung gegeben hatte, dass ein Licht sie erhellen würde. Dieses Licht nun zu erkennen, es aber nicht erreichen zu können, war niederschmetternd. Mit geröteten Augen und schwerem Kopf kehrte sie in ihre Kammer zurück. Theana schlief friedlich auf ihrer Pritsche. In aller Ruhe holte Dubhe das Pergamentblatt mit den Notizen hervor und betrachtete den Lageplan, den sie in den vergangenen Tagen gezeichnet hatte.
Sie musste jetzt handeln. Nur auf diese Weise war dem Traum ein Ende zu machen, der sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Sie war zur Mörderin geboren, und daran ließ sich nichts ändern. Die Gilde hatte Recht. Und deswegen würde sie tun, was sie tun musste, mit oder ohne Learco.
Kalt und abgeklärt wie an jenem Abend fühlte sie sich, als sie sich entschlossen hatte, bei Sarnek zu bleiben und von ihm das Handwerk des Mordens zu erlernen. Lonerin hatte sie gelehrt, Entscheidungen zu treffen. Und eine Entscheidung hatte sie nun tatsächlich getroffen, eindeutig und unwiderruflich. Sie studierte den Plan und ging im Geist noch einmal die Stellen durch, wo sie das Symbol, von dem Theana gespro chen hatte, gesehen zu haben meinte. Dann überlegte sie sich den Weg, den sie am nächsten Abend im Palast einschlagen würde, und legte alles zur Seite. Das Morgengrauen war nicht mehr fern, und ein paar Stunden musste sie wenigstens schlafen, um am nächsten Tag bei Kräften zu sein.
Doch lange fand sie keinen Schlaf, zwang sich aber, im Dunkeln reglos auf der Seite liegen zu bleiben, bewegte nur hin und wieder einen Arm, um sich unwirsch Tränen aus dem Gesicht
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