Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
bedeutender Bestandteil seiner Existenz ist. Er verliert den Verstand. Schottet sich ab. Verschließt sich. Und wird … so.
Kwinn schaukelt wieder hin und her und stöhnt. Ich schließe die Augen und versuche, mit den verrückten Gefühlen fertig zu werden, die in mir durcheinanderwirbeln. Aren ist nicht unschuldig. Er hat das hier getan.
Kyol nimmt meine Hand. »Ich wollte nie, dass du die Schrecken des Krieges zu sehen bekommst. Deine Albträume sind schon schlimm genug, ohne dass du mit ansehen musst, wie Fae so dahinvegetieren. Ich habe dir bestimmte Dinge vorenthalten, damit du ein reines Gewissen hast und in Sicherheit bist. Vielleicht war das ein Fehler.«
Man muss mich nicht in Watte packen. Ich brauche alle Fakten, damit ich meine Entscheidungen abhängig von dem treffen kann, was real ist, und nicht von der verdrehten Version der Wahrheit, die mir von jemand anders präsentiert wird.
»Reicht das noch nicht?«, will Kyol wissen.
Ich sage nichts. Diese … diese Folter gehört zu den Dingen, die mir Aren vorenthalten hat. Ihm war klar, dass dieses Wissen meinen Widerstand gegen ihn nur weiter verstärken würde. Und genauso ist es auch. Ich könnte schwören, dass der Diamant in meiner Hosentasche pulsiert und mich drängt, ihn Kyol auszuhändigen. Gibt es in diesem Krieg denn keine Guten?
»Bring mich einfach zurück in meine Welt.«
Kyols Gesicht spannt sich an. »Du brauchst mehr Beweise? In Ordnung.«
Er zieht mich aus dem Raum. Das blaue Leuchten seiner Fackel erhellt den Gang. Wir gehen noch eine Treppe hinunter, wenden uns nach links und bleiben schließlich vor einem eisernen Gittertor stehen, das von zwei Schwertkämpfern bewacht wird. Sie grüßen Kyol mit einem Nicken und werfen mir neugierige Blicke zu. Der Fae zur Linken dreht einen Schlüssel im Schloss herum und öffnet das Tor.
Schwerter, Speere, Bögen und andere Waffen finden sich in Ständern und Gestellen an beiden Wänden, während Jaedrik -Brustharnische, Helme und Geräte, die ich nicht identifizieren kann, hüfthoch in der Mitte des langen Raumes aufgestapelt sind. Sie sind mit einer feinen Staubschicht bedeckt, was dafür spricht, dass die Fae nur selten hier runterkommen, um sich auszurüsten. Was für eine Verschwendung. Aren könnte die ganze Rebellion mit einem Drittel der hier aufbewahrten Waffen und Rüstungen ausstatten.
Kyol führt mich durch das Labyrinth von Waffen. Am anderen Ende macht der Raum eine scharfe Linkskurve, und ein Fae – es ist Garrad, einer von Kyols Schwertkämpfern – steht von einem Stuhl auf. Kyol signalisiert ihm, dass er sitzen bleiben kann, als er zu der Steinwand auf der rechten Seite geht. Er zieht einen alten hölzernen Karren zur Seite und ballt die rechte Hand zur Faust, bevor er die offene Hand auf einen Stein hoch oben in der Wand legt. Genau wie bei Lorn in Lyechaban breitet sich unter seiner Handfläche ein blaues Leuchten aus, und eine Sekunde später gleitet wie bei dem Fluchttunnel eine Steinplatte zur Seite – ein Meter mal ein Meter fünfzig groß.
Kyol klemmt seine Fackel in eine Ritze im Steinboden und zieht mich in die schmale Öffnung.
»Jetzt!«, ruft jemand von innen.
Kyol schubst mich zurück, als er sein Schwert zieht, es schwingt und den von Chaosschimmern blitzenden Menschen knapp verfehlt – absichtlich verfehlt! Ein zweiter Mann stürzt sich auf mich, aber Kyol ist schon da und schlägt ihm seine Faust ins Gesicht, und eine Sekunde, bevor er trifft, erkenne ich in dem zweiten Mann Naito. Naitos Knall an die hintere Wand hallt durch die kleine steinerne Gefängniszelle.
»Schwertmeister?« Garrad kommt mit gezücktem Schwert herangerannt.
»Ich habe alles unter Kontrolle« , sagt Kyol. Der Wachmann mustert die beiden Menschen, nickt einmal und geht zurück auf seinen Posten.
Es dauert einen Moment, bis ich all das begriffen habe, was hier gerade passiert ist. Jetzt starre ich Naito an, dessen rechte Wange bereits anschwillt und der mich ebenfalls ansieht.
»McKenzie?«
»Naito.« Ich knie mich neben ihn und helfe ihm, sich aufzusetzen. »Oh Gott, ich dachte, du wärst tot.«
»Noch nicht«, entgegnet er.
Ich bin erleichtert und fange an zu zittern, weil mir klar wird, dass ich vielleicht doch kein so großer Dummkopf gewesen bin. Offenbar habe ich mich nicht völlig in Kyol getäuscht. Ich sehe ihn über die Schulter hinweg an. Er hat sein Schwert noch immer gezogen, und der Stahl bildet eine Barriere zwischen dem anderen Menschen und mir.
Ich blicke
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