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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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Etwas schien ihr nicht zu gefallen. Etwas, das sie in der Hand hielt. Er konnte aber nicht erkennen, was es war, dazu war der Gegenstand zu klein.
    ›Das solltest du jetzt bald herausfinden‹ , keifte Caes. › Damit Lexa endlich gerächt werden kann.‹
    Cale schwieg. Der Dämon hatte recht, aber etwas in Cale weigerte sich einfach, Zoe als Mörderin zu sehen. Das war sie einfach nicht. Das konnte nicht sein.
    ›Und wenn das so ist, was machst du dann hier?‹
    ›Ich weiß es nicht‹, erwiderte Cale.
    Caes schnaubte abfällig. › Ich sagte es doch schon – die dümmste Idee, die du jemals hattest.‹
    Cale sah, dass das Licht in Zoes Schlafzimmer ausgeschaltet wurde. Im nächsten Moment bewegten sich die Vorhänge, und Zoe riss sie mit einem Ruck zur Seite, anscheinend um bei Mondlicht schlafen zu können. Cale duckte sich hastig tiefer in den Schatten, damit sie ihn nicht doch noch zufällig sah. Aber Zoe hatte keinen Blick für irgendetwas. Ihre großen Augen wirkten in dem schmalen Gesicht unglaublich dunkel und seltsam verletzbar. Cale senkte rasch den Blick. ›Nur noch ein letztes Mal‹, versprach er Caes stumm, weil er selbst wusste, wie gefährlich es war, hier zu sein. Erst Stunden zuvor war Simias ermordet worden, und Cale wurde das Gefühl nicht los, dass Simias nicht zufällig ausgewählt worden war. Es hatte etwas mit seinem Besuch und der Frage nach dem Blutlesen zu tun. ›Ich gehe nur noch heute Nacht zu ihr und versuche herauszufinden, was sie mit den Morden zu tun hat. Wenn ich dann nichts weiß, versuche ich es in einer anderen Richtung weiter.‹
    Caes knurrte, doch das konnte durchaus auch Zustimmung sein. Bei dem Dämon wusste man nie.
    Cale kletterte an der Mauer herab und dann an der nächsten hinauf zu Zoes Schlafzimmer. Das Fenster war einen Spalt breit geöffnet, und warme Luft strömte heraus. Cale wartete, bis er aus dem Innern des Zimmers lange Atemzüge vernahm, und schob das Fenster dann auf. So leise wie möglich kletterte er ins Zimmer und hockte sich vor Zoes Bett. Er verharrte dort und lauschte angestrengt, aber sie hatte sein Kommen nicht bemerkt und schlief einfach weiter.
    Cale erhob sich. Sein Blick streifte ihren Nachttisch – sie hatte vor dem zu Bett-Gehen etwas darauf abgelegt, und jetzt, aus der Nähe, erkannte er, was es war. Ein Bild von ihm. Nicht unbedingt das schmeichelhafteste, wie er bemerkte. Doch seine Aufmerksamkeit wurde schnell wieder auf das Bett gezogen, als er ein Seufzen hörte.
    Er sah auf Zoe herab. Ihr Gesicht war noch immer angespannt, die vollen Lippen waren ungewohnt fest zusammengepresst, und ihre Hände hatte sie in das Kissen geklammert. Er musste den Impuls unterdrücken, sie an sich zu ziehen und festzuhalten, bis all die düsteren Gedanken, die sie selbst im Schlaf nicht zur Ruhe kommen ließen, verschwunden waren. Das Gefühl war warm, es tat ihm gut, und gleichzeitig bemerkte er, wie fremd es ihm geworden war.
    ›Werd nicht sentimental, fang an‹ , trieb Caes ihn an. Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, beugte Cale sich vor und küsste Zoe zwischen die zusammengezogenen Augenbrauen.
    In ihrem Traum war es rot – die Farbe pulsierte um ihn herum, wie in einem menschlichen Herz, und der Gedanke ließ ihn schaudern, weil er an all die Herzen denken musste, die der Mörder bisher an sich gerissen hatte. Cale spürte, wie sich etwas um sein Bein schlang, und versuchte, ihn in das Rot hineinzuziehen, aber er riss sich mit einem Ruck los und ging weiter. Seine Suche nach Zoe wurde bald von Erfolg gekrönt, als er einen langen, hohen Schrei hörte. Hastig lief er in die Richtung, aus der der Schrei kam, und hielt abrupt, als er seine Quelle entdeckte. Er hatte Zoe gefunden – und sich selbst. Es war eine Traumkreatur, die Zoes schlanken Körper an sich gepresst hielt und die Hand tief in ihrem Brustkorb vergraben hatte. Es gab keine Wunde, nur Blut und Zoes Schreie, während sie sich vor Schmerzen wand und versuchte, loszukommen.
    Cale handelte, ohne nachzudenken. Er packte das Wesen mit seinem Gesicht am Nacken, befreite Zoe davon und beförderte es mit einem Hieb zurück in die Untiefen, aus denen es hervorgekrochen war. Zoe starrte ihn an wie einen Geist. Dann schüttelte sie heftig den Kopf und wich vor ihm zurück.
    Cale konnte das nicht zulassen. Allein der Gedanke, dass sie ihn nicht mehr in ihrer Nähe haben wollte, bereitete ihm Magenschmerzen. Er umfasste ihre Hände und zog sie, so heftig sie sich auch wehrte, an seine Brust.

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