Die Schattensurfer (German Edition)
hallte immer wider, als wäre Sansibar von vielen Frau Mayhoffs umgeben. Sie stand in einem weißen Raum. Er war bis zur Decke gefliest. Die weißen Fliesen drohten ins Orange zu kippen. Verschwommen erkannte Sansibar die Waschbecken. Frau Mayhoff schob Sansibar in eine Toilettenkabine und zog die Tür von außen zu. „Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid.“ Frau Mayhoff klang ehrlich besorgt.
Sansibar stand über der Toilettenschüssel und würgte. Sie konnte sich nicht übergeben. Aber langsam verschwand das grelle Orange aus ihrem Kopf.
Sie musste an Mika denken. Glasklar hatte sie seine Gedanken auf dem Bildschirm gesehen. Gestochen scharf. Es war also doch möglich Gedanken zu entschlüsseln. Doktor Tornham hatte immer gesagt, dass dies niemand könnte. Wirklich niemand. Aber das stimmte überhaupt nicht. Selbst Luan hatte gemeint, dass er ABEX4 knacken könnte.
Sansibar wollte die Erinnerung an ihre Mutter mit keinem Menschen teilen. Und ihre Gedanken an Luan musste sie vor RUHL verstecken.
Da fasste Sansibar einen Entschluss: Sie würde ihr Stirnband nicht anpassen lassen, nicht jetzt, nicht hier. Überhaupt nicht. Niemals.
Natürlich würden Frau Mayhoff und Herr Kollgan sie nicht einfach gehen lassen. Sipos standen für solche Fälle bereit und würden die Anpassung des Stirnbands mit Gewalt vornehmen. Sansibar überlegte fieberhaft. In der Toilette gab es kein Fenster. Sie konnte nicht fliehen.
„Alles in Ordnung?“, rief Frau Mayhoff von draußen. Sie pochte gegen die Tür.
Frau Mayhoff würde sich bestimmt nicht abwimmeln lassen.
Sansibar gab ein würgendes Geräusch von sich, und wieder drängten sich orangefarbene Flecken in ihren Kopf. Das Orange war diesmal matter und hatte die gleiche Farbe wie ihr Wildlederstirnband.
Das brachte Sansibar auf eine Idee. Sie griff in ihre Jackentasche und tastete nach dem Stirnband. Das Wildleder fühlte sich rau an und dazwischen die glatten wertvollen Perlen. An einem Büschel Fransen zerrte sie das Stirnband aus ihrer Tasche. Mit den geheimnisvollen Glasperlen sah es wunderschön aus. Sansibar zögerte, aber sie hatte keine Wahl. Sie öffnete die Finger und ließ das Stirnband in die Toilette gleiten. Gluckernd verschwand es im Wasser. Die Perlen zogen es in die Tiefe.
„Geht es dir gut?“, rief Frau Mayhoff.
Sansibar würgte. „Ja“, stöhnte sie und würgte wieder. Frau Mayhoff durfte nichts merken. Sansibar spuckte. Dann zog sie die Wasserspülung. In einem Strudel verschwand das Stirnband und tauchte in die Tiefen der Kanalisation.
„Hilfe, es ist weg. Es ist weg“, schrie Sansibar und kreischte hysterisch. Sie ließ sich vor der Toilettenschüssel niedersinken und murmelte fassungslos: „Mein Stirnband, mein Stirnband, mein …“
Frau Mayhoff stieß die Toilettentür auf und rammte sie Sansibar in die Seite. Es tat verdammt weh. Sansibar schrie. Sie schluchzte. Jetzt durfte sie ihren Tränen freien Lauf lassen.
Frau Mayhoff riss die Augen auf. Selbst ihre Locken sahen erschreckt aus. „Kind, was ist passiert?“
Zitternd schnappte Sansibar nach Luft und hielt sich die Seite. „Mein Stirnband, mein Stirnband“, stammelte sie.
Frau Mayhoff zog Sansibar vorsichtig hoch. Wie krummgeprügelt hing Sansibar an Frau Mayhoff.
„Mein Stirnband ist weg. Es ist aus meiner Tasche gerutscht und in die Toilette gefallen. Es ist weg“, jammerte Sansibar. „Mein Vater hat ein Vermögen dafür bezahlt“, schluchzte Sansibar und brach wieder zusammen. Ihre Seite, in die Frau Mayhoff die Tür gerammt hatte, brannte. Da war bestimmt die Haut abgeschürft. Die Schmerzen halfen Sansibar zu weinen.
„Viele Eltern machen den Fehler und kaufen gleich beim ersten Mal ein furchtbar teures Stirnband. Aber das bekommen wir schon hin. Ich werde den Hausdienst rufen. Die finden es bestimmt wieder.“
Herr Kollgan war außer sich, als er von Sansibars Stirnband erfuhr. Er schnauzte: „Das wirft meinen ganzen Wochenplan durcheinander. Ich weiß schon wie das endet: Ich muss am Sonntag wieder reinkommen und Überstunden schieben.“
Sansibar zitterte.
„Sie soll gefälligst warten, bis der Hausdienst das Stirnband gefunden hat. Und wenn das bis morgen früh dauert“, schimpfte Herr Kollgan weiter.
„Werter Herr Kollege, Sie haben doch selbst gesehen, dass es Sansibar nicht gut geht. Das ist der Stress, den sich die jungen Leute heutzutage machen.“
„Und ich muss es ausbaden“, blaffte Herr Kollgan.
„Sansibar geht jetzt erst einmal
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