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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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Sonnenstrahlen über die Ruinen und ließen die Schattenstadt rötlich dämmern. Wie eine verwunschene Märchenstadt lag sie vor ihnen.
    Doch Sansibars Gehirn spülte sofort das Bild der Dunklen Mauer in ihr Bewusstsein. Glatt und ohne den Hauch einer Farbe. Die breite Schneise davor, in gleißendes Licht gegossen, und die Sipos auf ihren rasenden Scootern. Sansibar lief ein Schauer über den Rücken. „Wie kommen wir über die Mauer?“, stammelte sie.
    „Über die Mauer“, wiederholte Nele. Sie zögerte. Dann bemühte sie sich um ein zuversichtliches Lächeln und fuhr fort: „Mit der durchsichtigen Seilbahn. Den gleichen Weg, den du gekommen bist.“
    Jede Deckung ausnützend, eilten sie durch die Schattenstadt. Sansibar erkannte das Spielwarengeschäft wieder, an dem sie abgebogen war. Die Sonne strahlte die heruntergerissene Leuchtreklame an: Playplay. Es sah fast aus, als würde das altmodische Schild leuchten, ganz wie früher.
    Von hier aus führte die Straße direkt bis zum Schuppen. Sansibar sah bald den Umriss des dreieckigen Blechdachs und daneben den umgepflügten Sandhaufen.
    „Wir haben es geschafft“, sagte Nele erleichtert, als sie um den Schuppen gingen.
    Wie eine Fahne bei Flaute hing der Transportsack an der Rolle auf dem durchsichtigen Seil. An der Rolle war ein kleiner Elektromotor befestigt. Und von dort führte ein zweites Seil in das Hochhaus auf der anderen Seite. Diese Winde war Sansibar bei ihrer Flucht überhaupt nicht aufgefallen.
    „Beeil dich! Wir müssen hinüber nach Mallinport.“ Nele hielt den knisternden Transportsack auf. „Steig ein.“
    Sansibar zögerte „Wir passen da nicht alle hinein.“ Sansibar deutete auf den Transportsack.
    „Natürlich nicht“, antwortete Nele. „Wir beide fahren zuerst. Die anderen kommen nach.“
    „Muss das wirklich sein?“, fragte Chris.
    Nele schob mit dem Zeigefinger ihre Brille nach oben. „Ja, das muss sein.“
    „Ganz genau“, pflichtete Emil bei.
    Sansibar verstand nicht. So schlimm war es wirklich nicht, wenn sie nicht alle zusammen hinüberfahren konnten. Sansibar kletterte hinein. Plötzlich hatte sie so ein mulmiges Gefühl im Bauch. Sie hielt sich an dem Seil fest. Nele stieg zu ihr in den Sack. Für eine dritte Person war wirklich kein Platz mehr.
    „Viel Glück“, sagte Emil, als Nele den Elektromotor anschaltete. Leise begann sich die Spindel zu drehen und spulte das Seil auf. Zuerst straffte es sich und als es schließlich gespannt war, wurde der Transportsack nach oben gezogen. Surrend glitt die Rolle über das Halteseil.
    Chris sah ihnen sorgenvoll nach. Nele starrte hinauf und hatte keine Augen mehr für Sansibar.
    Längst schwebten sie hoch über dem Boden. Für einen Moment hatte Sansibar das Gefühl, als führen sie direkt auf die Dunkle Mauer zu. Sansibar hielt die Luft an. Doch als sie die Mauer erreicht hatten, glitten sie weit darüber hinweg. Wie eine riesige Messerklinge lag die Mauer unter ihnen.
    „Ist es weit bis zur Sauerkrautfabrik?“, wollte Sansibar wissen.
    „Mmhh“, machte Nele, was ja oder nein oder weiß nicht bedeuten konnte. Nele drehte sich nicht einmal zu Sansibar um. Stur sah sie nach oben, dort, wo das Seil neben einem Fensterkreuz in der Mauer verankert war.
    „Habt ihr diesen coolen Lift gebaut?“, versuchte Sansibar erneut ein Gespräch zu beginnen.
    Aber Nele brummelte nur.
    Gleichmäßig zog der Elektromotor sie nach oben. Sie schwebten in schwindelerregender Höhe. Sansibar wagte nicht hinunterzusehen. Ihre Knie fühlten sich an wie mit Quark gefüllt. Gleich hatten sie es geschafft. Keine 20 Meter trennten sie noch von dem Fenster. Sansibar musste an die Sipos denken, die sie bis in dieses Haus hinein verfolgt hatten. Was, wenn die Sipos den Lift entdeckt hatten? Wenn sie den Lift längst überwachten und er nicht mehr geheim war?
    „Stopp“, kreischte Sansibar. Mit der Hand schlug sie nach dem Schalter des Elektromotors. Sie mussten umkehren. Das war zu gefährlich.
    Ganz ruhig fing Nele Sansibars Hand ab. Sansibar berührte den Schalter nicht einmal mit den Fingerspitzen. Nele funkelte sie an. „Spinnst du, Schlitzohr? Wir sind gleich da. Und Luan wartet.“
    Sansibar wagte nicht zu widersprechen. Neles Ton klang hart und unverrückbar.
    Da schlugen Sansibar und Nele mit dem Transportsack an die Hausmauer. Die Mädchen purzelten durcheinander. Nele griff nach ihrer Brille und hielt sie fest. Sie waren oben angekommen.
    Wie eine überreife Riesenzwetschge baumelten sie

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