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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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fertiggestellt war, erklärte, daß er keine Schmerzen mehr empfinde.
    Die Kunde dieses Ereignisses fand rasche Verbreitung und die Folge war, daß dem Kawdjer mit noch größerer Ehrfurcht begegnet wurde als bisher. Er war zweifellos der gute Genius der Schiffbrüchigen. Seine Wohltaten waren nicht mehr zu zählen. Immer mehr nahm man die Gewohnheit an, alles auf seine Schultern zu wälzen, alles ihm zu überlassen und immer mehr fühlten diese ungehobelten und kindlich einfältig angelegten Wesen die beruhigende Wirkung seiner bloßen Gegenwart.
    Am Abend des 10. Mai wurde ein kurzes Verhör angestellt, wodurch man die Räuber der Wel-kiej zu entdecken hoffte; natürlich war der Erfolg des Verhöres bei einer so großen, unruhigen und undisziplinierten Menge ein ungewisser Trotzdem ließen sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vier Personen verdächtigen, welche im Laufe des Tages nicht gesehen worden waren. Zwei von ihnen gehörten der Schiffsmannschaft an, der Koch Sirdey und der Matrose Kennedy. Die beiden anderen waren sehr übel beleumundete Emigranten, welche sich durchaus keiner allgemeinen Wertschätzung erfreuten zwei sogenannte Arbeiter namens Furster und Jackson.
    Über die Schuld der beiden ersteren war es unmöglich, sich absolute Gewißheit zu verschaffen, aber für die zwei anderen war bald der evidente Schuldbeweis gefunden. Am nächsten Morgen waren Kennedy und Sirdey wieder da und nahmen wie täglich an der Arbeit teil. Aber sie schienen todmüde und Sirdey machte den Eindruck, verwundet zu sein. Er ging schwerfällig und mühsam und sein Gesicht war zerkratzt und vielfach aufgerissen.
    Hartlepool kannte seine Leute, auch diesen traurigen Helden, dessen gemeine Natur ihn mit Verachtung erfüllte.
    »Wo warst du gestern? fragte er barsch.
    – Wo soll ich gewesen sein! sagte Sirdey mit geheuchelter Unschuld; dort, wo ich alle Tage bin, natürlich!
    – Merkwürdigerweise hat dich niemand gesehen, du Schurke. Mir kommt vor, als hättest du dich in die Nähe der Schaluppe verirrt!
    – Der Schaluppe? fragte Sirdey mit der unschuldigsten Miene eines Menschen, welcher nicht versteht, wovon die Rede ist.
    – Hm!… brummte Hartlepool und fuhr fort:
    – Warum ist denn dein Gesicht so zerkratzt?
    – Ich bin gefallen, erklärte Sirdey; ich werde heute bei der Arbeit nicht viel helfen können, ich kann mich kaum aufrechthalten.
    – Hm…« brummte Hartlepool bedeutungs-und verständnisvoll, als er sich entfernte; dieser Mann war gewitzigt und von ihm war nichts zu erfahren. Bei Kennedy fand sich nicht einmal ein Grund zu einem Verhöre. Abwohl er totenbleich war und in sehr schlechter Verfassung zu sein schien, ging er wortlos seiner Beschäftigung nach.
     

    »Warum ist denn dein Gesicht so zerkratzt?« (S. 112.)
     
    Man hatte also am 11. Mai die Arbeit aufgenommen, ohne daß das Rätsel gelöst worden wäre Aber eine Überraschung erwartete in der Scotchwell-Bai diejenigen, welche zuerst hinkamen Auf dem Strande lagen in geringer Entfernung von der, Flußmündung zwei Leichname; es waren die Körper Jacksons und Fursters. Nicht weit von ihnen lag die Schaluppe, die mehr als ein großes Leck aufzuweisen hatte und fast ganz mit Wasser und Sand angefüllt war.
    Jetzt ließ sich das Abenteuer leicht erklären. Von den vier Männern, welche sich auf ihr befanden, hatten zwei, Kennedy und Sirdey, schwimmend das Land erreichen können, während die anderen in den Wellen den Tod gefunden hatten. Die Flut hatte die Leichname an die Küste geschwemmt, desgleichen die halbzertrümmerte Wel-kiej.
    Nach einer sorgsamen Untersuchung ersah der Kawdjer, daß die Schaluppe wieder seetüchtig gemacht werden konnte; denn wenn auch die Außenwände arg beschädigt waren, so hatte doch das Gerippe nur wenig gelitten und der Kiel war unversehrt. Die Wel-kiej wurde nun von kräftigen Armen ganz ans Land gezogen, bis sie außer dem Bereich der Wogen lag; dort mußte sie warten, bis man Zeit haben würde, ihre Schäden auszubessern.
    Am 13. Mai war die Übersiedlung bewerkstelligt. Augenblicklich begann man die zerlegbaren Häuser zusammenzustellen und bald konnte man dieselben (sie waren nach einem ausgezeichneten System gebaut) mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit aus dem Boden wachsen sehen. Kaum beendet, wurde auch von ihnen Besitz ergriffen, was jedesmal Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen bot. Es wäre eine sehr bedeutende Anzahl nötig gewesen, um alle zwölfhundert Emigranten in ihnen beherbergen zu können.

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