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Die Schlaflosen

Die Schlaflosen

Titel: Die Schlaflosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Kolb
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mit gespielter Eleganz auftischt, indem er den linken Arm auf den Rücken legt, während er mit der Rechten den Teller zurechtschiebt, als käme es dabei auf jeden Zentimeter in die eine oder andere Richtung an.
    Margot entschuldigt sich. Sie weiß, wie seltsam sie manchmal wirkt. Die beiden wünschen einander guten Appetit. Ein Glück, dass es Formalitäten gibt, denkt Rottmann.
    Es schmeckt ungewöhnlich, auf besondere Weise gewürzt, eine Überraschung in diesem jwd liegenden Nest. Er nimmt einen Schluck Wein, Margot erzählt von einer Puppenmanufaktur, die sie von ihrem Vater geerbt habe. Der habe sich gewünscht, dass sie in seine Fußstapfen trete und Betriebswirtschaft studiere, und diesem Wunsch habe sie sich auch gefügt. Widerwillig aber willig. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der sich dem Vater verweigert habe und in den Journalismus eingestiegen sei. Sie aber habe brav dieses ganz und gar nicht zu ihr passende Fach studiert und danach eine Weile Fachschüler aufs Wirtschaftsabitur vorbereitet, eine Arbeit, die sie übermäßig angestrengte, so sehr, dass sie die Stelle wieder habe aufgeben müssen. Damals sei es losgegangen mit ihren Ticks und Störungen. Später sei sie von Job zu Job gewandert, mal mehr, mal weniger zufrieden. Bis der Vater gestorben sei und sie die Puppenmanufaktur geerbt habe.
    Warum haben Sie denn dann nicht früher in dieser Fabrik gearbeitet?, will Rottmann wissen.
    Ach, das könne er sich gar nicht vorstellen. Sie habe es versucht, aber der Vater sei so dominant gewesen, dass für sie überhaupt kein Platz in dem Betrieb gewesen sei. Die Atmosphäre habe ihr die Luft abgeschnürt. Erst nach seinem Tod habe sie die Manufaktur übernehmen können, aber es sei dann das passiert, was ihr Vater vorausgesagt habe – nämlich dass sie es nicht allein schaffen würde.
    Alle denkbaren Puppen seien dort hergestellt worden, zum Spielen für Kinder, Schaufensterpuppen, Puppen für medizinische Zwecke, zur Ausbildung für Hebammen etwa, und dann, das sei damals der große Renner gewesen, Puppen mit beweglichen Gesichtern, die sprechen können, mit individuellen, echt aussehenden Beinen.
    Man könne sich nicht vorstellen, was die Leute da verlangt hätten. Puppen mit erwärmbaren Muskeln, mit allen Hautfarben, mit echtem Haar, jede Figur, auch alt aussehende, faltige, traurig blickende, aber auch junge, Kinder, oft nach Fotografien geformt. Einmal habe sie einen Kunden in seinem Haus in der Nähe von Magdeburg besucht, dort seien mehrere Exemplare dieser Sonderanfertigungen aufgestellt gewesen.
    Rottmann beugt sich vor und wölbt die Hand hinterm Ohr, der Lärm von der Gesellschaft dort hinten an dem runden Tisch stört ihn. Wieder hebt er sein Glas in Margots Richtung. Ob sie ihm einen Bären aufbindet? Ob das, was diese Frau da von sich gibt, die Erfindung einer Fantastin ist? Vielleicht hat sie zu viele Fellini-Filme gesehen? Und das abseitige Lächeln, das die ganze Zeit über ihr Gesicht gleitet, das wie eine Glasglocke wirkt und sie abschottet von dem Gegenüber, zu dem sie spricht …
    Sie macht eine Pause, in der sie in Erinnerungen sinkt, man sieht es ihr an.
    Solche Pausen scheinen zu ihr zu gehören, denkt Rottmann, ich kenne niemanden sonst, der so verzögert spricht.
    Das macht ihn ungeduldig, ja ungehalten, er verspürt sogar einen Stich Ärger. Mit so einer Frau könnte er niemals zusammenleben, das würde er nicht aushalten.
    Dann kehrt sie wieder zurück und erzählt weiter.
    Der Kunde in der Nähe von Magdeburg war Sammler, erzählt Margot weiter. Das Haus war bevölkert von Puppen. Eine zum Beispiel saß in der Küche, eine mütterliche Erscheinung, ich sehe sie noch vor mir. Sie hatte die Hände übereinandergelegt und blickte einen an. Ein Meisterwerk unserer Manufaktur. Und im Schlafzimmer saß eine weibliche Gestalt in einem Sessel neben dem Bett. Nicht etwa eine erotische, sondern eine einfache, etwas erschöpft aussehende Frau mit langem Haar in einem geblümten Nachthemd. Und an einem kleinen Tisch im Flur saßen zwei Puppen mittleren Alters an einem Tisch und sahen aus, als spielten sie Karten. Der Hausherr grüßte sie und erklärte mir mit vorgehaltener Hand, dass man den Frauen immer Komplimente machen müsse … und tatsächlich sagte er etwas zu ihnen, etwas Charmantes, und ich dachte, der ist ja wahnsinnig, der

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