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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Eifersüchteleien, nicht an das Wichtigste, das heilige Land Gottes.
    Doch Gott wollte keine Kompromisse, er wollte den Kampf. Er hatte die Juden ins Gelobte Land geführt, damit sie es in Besitz nahmen und bis in die Ewigkeit behielten. Er wollte, dass sie es bis aufs Blut verteidigten, und wenn sie nur fest genug an den Sieg glaubten, dann wäre er ihnen nie zu nehmen. Hatte der Herr nicht durch Moses die Ägypter besiegt, die unschlagbar schienen? Hatte Moses nicht das mächtige Meer geteilt? Das goldene Kalb, Sinnbild der Götzen, zerstört? Das Volk Israel zum auserwählten Volk gemacht?
    Ein Gefühl der Stärke durchströmte Kephallion beim Gedanken daran, dass all das erneut geschehen könnte. Gott würde einen Führer des Volkes bestimmen, einen neuen Moses, einen Messias , und der würde Pilatus und seinesgleichen aus dem Land jagen. Alle Juden, die ihn heute noch unterstützten oder sich bei ihm anbiederten, wie Antipas und wie Salome, die Heidenhure, würden als Verräter sterben.
    Vielleicht war Sadoq, der Führer der Zeloten, der Messias . Seine Leute waren die Einzigen, die unentwegt gegen die Besatzer predigten. Sie hatten ihre Aktivitäten in den letzten Jahren verstärkt nach Galiläa verlagert, wobei sie stets überraschend auftauchten und ebenso schnell wieder verschwanden. Schon lange sympathisierte Kephallion mit den Zeloten, bisher hatte er sich ihnen allerdings noch nicht angeschlossen. Doch jetzt war es an der Zeit, diesen Kriegern Gottes zu helfen, Zeit, den Römern einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Und kein Anlass war dafür geeigneter als die in zwei Tagen stattfindende Einweihung der nach einem Unbeschnittenen benannten Hauptstadt. Vor den Augen des versammelten Volkes würde das Blut des Pilatus fließen – und neben ihm das der Heidenhure.
     
    Timon blinzelte angestrengt in den wolkenlosen Himmel. Seit Wochen brannte die Sonne jeden Tag unbarmherzig auf das felsige Hinterland von Ephesos nieder, und der Talkessel, in dem er arbeitete, öffnete sich nach Süden, so dass fast den ganzen Tag über kein Schatten die Hitze linderte. In den Nächten wiederum, die eigentlich Kühlung und Erfrischung bringen sollten, gaben die Felswände alle Wärme ab, die sie den Tag über gespeichert hatten. Wie eine zweite, eine lichtlose Sonne, brachten sie den Körper auch im Schlaf zum Schwitzen, so dass er am nächsten Morgen ebenso ausgelaugt war wie am Vorabend.
    »Verdammter Stein«, fluchte Timon und rammte seine Spitzhacke mit voller Wucht gegen die Felswand, so dass ein großes Stück abbrach und einen Augenblick später mit einem lauten Knall dreißig Meter unter ihm zerschellte. Zufrieden blickte Timon hinunter und beobachtete, wie die anderen Arbeiter den Brocken weiter zerhackten. Verdammter Stein, wiederholte er im Stillen und bemerkte im nächsten Moment, wie unsinnig es war, lebloses Material zu verfluchen. Langsam wurde er verrückt, und er begriff, was Coponius damals meinte, als er sagte, dass er nach fünf Jahren im Steinbruch um fünfzig Jahre gealtert sein würde.
    Coponius! Ihm verdankte er es, hier zu sein. Bis heute verstand Timon nicht, was damals in der Residenz des Römers in Caesarea geschehen war. Natürlich erwartete er eine Strafe, denn er hatte schließlich nach juristischen Maßstäben ein Verbrechen begangen. Doch er hoffte damals, in einem Prozess vor dem römischen Prokurator Coponius die Gründe seiner Tat erklären und damit die Strafe mildern zu können. Doch Coponius setzte überhaupt keinen Prozess an, so wie es sich nach allen Normen gehört hätte. Ohne eine einzige Frage zu stellen, ohne Timon einen advocatus zuzubilligen, ohne ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, urteilte er ihn ab.
    »Du kommst in die Steinbrüche, Grieche«, sagte er lapidar.
    »Was?«, rief Timon ungläubig. »So geht das nicht. Ich will auf der Stelle …«
    »Ja, ja, ich weiß, was du willst. Aber ich kann dir nicht helfen. Ehrlich gesagt ist es mir egal, warum du die alte Tetrarchin ermorden wolltest, ja, es wäre mir sogar egal gewesen, wenn du Erfolg gehabt hättest. Die Zeit der Fürsten ist ohnehin abgelaufen. Rom wird aus diesem komplizierten Land sehr schnell ein unkompliziertes machen, und alles, was früher einmal war, interessiert uns Römer nicht. Du hättest nur eine Puppe umgebracht, und ich hätte dich dafür nicht nennenswert zur Verantwortung gezogen. Dein Pech, junger Grieche, ist, die falschen Feinde zu haben.«
    »Ich habe Rechte«, erwiderte

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