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Die Schlucht

Titel: Die Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Richtung Nordosten kamen sie schließlich auf die Autobahn, wo Paula richtig aufs Gas treten konnte.
    »Wo ist denn eigentlich dieses Hobartshire?«, fragte Tweed.
    »Wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Es ist die Grafschaft mit der geringsten Bevölkerungsdichte in ganz Großbritannien. Keine einzige Großstadt und viele alte Herrensitze, auf denen reiche Leute wohnen.«
    Als Paula von der Autobahn wieder abfuhr, veränderte sich die Landschaft. Neben der Straße ragten hohe weiße Kalkfelsen auf, und hin und wieder kamen sie an einem Steinbruch vorbei, in dem mit großen Maschinen gearbeitet wurde.
    Dann führte sie die Straße in einen Wald, der so dicht und dunkel war, dass man die Sonne am Himmel nicht mehr sah, und als sie den Wald hinter sich gelassen hatten, führte die Straße durch sanft geschwungenes, üppig grünes Hügelland. Tweed blickte auf die Uhr.
    »Müssten wir nicht bald da sein?«
    »Voilà!«, sagte Paula und deutete auf ein Schild, das am Straßenrand stand:
Willkommen in Hobartshire ! Benehmen Sie sich anständig !
    DIE POLIZEI
    »Das hat bestimmt dieser Lord Bullerton hier aufstellen lassen«, bemerkte Tweed. »Der Mann benimmt sich, als wäre die Grafschaft sein Privatbesitz.«

6
    Auf der Fahrt konnten sie durch Lücken in den hohen Hecken immer wieder mit Frühlingsblumen übersäte grüne Hügel sehen. Als sie schließlich in einen kleinen Ort kamen, ging Paula vom Gas.
    Der Ort sah ziemlich seltsam aus. Rechts und links der Straße standen alte, weiß getünchte Häuser, von denen ein jedes eine hellblaue Eingangstür und ein winziges Erkerfenster im niedrigen Dach hatte. Auf der Straße war kein Mensch zu sehen, nur vor dem einzigen Haus an der Hauptstraße, das eine knallrote Eingangstür hatte, sahen sie eine alte Frau in einem schwarzen Mantel, die gerade auf allen vieren mit einer Wurzelbürste eine Steintreppe schrubbte, die bereits blitzsauber war.
    »Halten Sie bei der Frau an«, sagte Tweed. »Ich möchte mich gern mit ihr unterhalten.«
    Die alte Frau richtete sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf und ließ ihre Bürste fallen. Unter ihrer gerunzelten Stirn blickte sie Tweed mit wachen Augen an.
    »Ich bin Mrs Grout«, sagte sie herausfordernd. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
    Tweed beschloss, ihr von Anfang an den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er zeigte ihr seinen Ausweis, den die Frau eingehend musterte.
    »So, so, ein stellvertretender Direktor sind Sie also. Aber nicht bei der Polizei, stimmt's?«
    »Ein paar Instanzen höher«, sagte Tweed mit einem Lächeln.
    »Wenn Sie wegen des Mords an Lady Bullerton hier sind, dann kommen Sie aber reichlich spät. Es wird langsam höchste Zeit, dass jemand mal dem alten Pitbull auf den Pelz rückt.«
    »Pitbull? Das klingt nach einer gefährlichen Bestie.«
    »Genau das ist er auch. Aber so etwas darf man ihm natürlich nicht ins Gesicht sagen, sonst sorgt er dafür, dass man hier in Hobartshire keine ruhige Minute mehr hat. Er hat sich bei den richtigen Leuten in London angebiedert und kann jetzt schalten und walten, wie er will.«
    »Und wie sorgt er dafür, dass man keine ruhige Minute mehr hat?«
    »Na ja«, fing sie an. »Der Pitbull hat vor ein paar Jahren nach und nach das ganze Dorf gekauft. Immer wenn eines der Reihenhäuser zum Verkauf stand, hat sein Anwalt Fingle alle anderen Interessenten überboten, und nun gehören ihm hier alle Häuser bis auf meines. Ich habe nämlich von meiner Tante ein kleines Vermögen geerbt und bin finanziell unabhängig. Deshalb kann er mir auch nicht sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Als der Pitbull erfahren hat, dass sich Fingle mein Haus nicht unter den Nagel reißen konnte, ist er fuchsteufelswild geworden.«
    »Und warum sind alle Türen hellblau gestrichen?«, fragte Tweed.
    »Das steht so in den Mietverträgen, die der Pitbull den Leuten aufnötigt. Alle Türen müssen blau ge strichen sein.« Sie kicherte. »Und zum Beweis meiner Unabhängigkeit habe ich meine rot gestrichen. Das geht ihm natürlich gehörig gegen den Strich. Aber er kann nichts dagegen machen. C'est la vie.«
    »Sie erwähnten vorhin, dass Lady Bullerton ermordet wurde«, sagte Tweed wie beiläufig. »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Und meine Brille hatte ich sogar auch noch auf. Das war oben in Gunners Gorge. Ich stand vor dem Hotel Nag's Head, von wo man einen guten Blick auf den Aaron's Rock hat, und sah, wie sich am oberen Rand der Schlucht etwas

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