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Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Titel: Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Armen und Beinen nicht richtig zusammenspielten.
    »Er hat mir aufgetragen, niemanden hereinzulassen«, sagte die Schwester. »Und ein Schwert zu finden. Aber ich konnte kein Schwert finden. Nur das hier.«
    Sie schwang das Schild.
    »Ich will nur –«, setzte Blatt an, aber die Schwester hob die Hand.
    »Warte, er spricht zu mir …«
    Der Kopf der Schwester sank nach hinten, und Blatt sah noch etwas anderes, das ganz und gar nicht normal war. Die Augäpfel der Frau waren grau geworden, die Regenbogenhaut und die Pupillen völlig schwarz.
    Blatt zögerte nicht länger. Sie stieß die Tür auf, warf sich gegen die Schwester und drückte sie mit dem Rücken gegen den Wagen. Der krachte in ein Regal, das halb umkippte und die Schwester unter einem Berg von blau gestreiften Handtüchern begrub.
    Während die Frau sich heftig unter der Lawine von Bettwäsche hervorarbeiten wollte, zerrte Blatt noch mehr Sachen aus den Regalen und türmte sie auf den Wäscheberg. Kissen, Decken, Handtücher – alles, was ihr in die Hände kam. Gleichzeitig sah sie sich verzweifelt um. Wie sollte sie ein kleines Stück Stoff in einem Raum voller Wäsche finden?
    Ihr würden nur Minuten bleiben, vielleicht auch nur Sekunden. Die Schwester war größer und stärker als sie, erst recht da Blatt diesen Sturz hinter sich hatte, und weil der Skelettjunge wusste, was die Schwester wusste, und hören und sehen konnte, was diese hörte und sah, würde er wahrscheinlich noch mehr seiner geistigen Sklaven in das Wäschelager schicken. Falls er nicht sogar selbst kam.
    Die Brille. Ich könnte Doktor Scamandros’ Brille benutzen!
    Blatt durchsuchte fieberhaft ihre Taschen. Einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, das Brillenetui verloren zu haben, aber daran war nur die unvertraute Anordnung der Taschen an ihrer fremdartigen Jeans schuld. Das Etui steckte in einer schmalen Tasche knapp oberhalb der Kniekehle. Sie zog es hastig heraus, klappte es auf und setzte sich gehetzt die Brille auf.
    Das Wäschelager sah durch die rissigen Gläser ziemlich verändert aus, aber nicht, weil die Sicht unscharf oder durch die Sprünge beeinträchtigt gewesen wäre. Tatsächlich waren die Gläser für Blatts Augen sogar völlig makellos, doch sah sie eigenartige, verschwommene Farben an Stellen, wo vorher keine gewesen waren. Verzauberte Stellen, vermutete sie, oder etwas in der Art.
    Rasch ließ sie den Blick über die Regale schweifen und wurde sofort belohnt. Die diversen Wäschestücke waren sämtlich mit kühlen Grün- und Blautönen überzogen, nur ein Regal stach wie ein Leuchtfeuer aus den anderen hervor. Es strahlte von innen heraus in einem tiefen Rot.
    Mit einem einzigen Satz war Blatt bei dem Regal und riss einen Wall von Kissenbezügen ein. Dort, hinter dieser Brustwehr aus Leinen, stand eine durchsichtige Plastikschachtel, halb so groß wie ein Schuhkarton, die ursprünglich zur Aufbewahrung steriler Mullbinden gedient hatte. Jetzt lag ein einzelnes, rechteckiges, weißes Stück Stoff darin, aber mit Hilfe ihrer Brille konnte Blatt Reihen über Reihen winziger Buchstaben über die Hemdtasche laufen sehen, die von einem inneren Feuer glühten.
    Sie schnappte sich die Schachtel und trat den Rückzug an, wobei sie nur kurz innehielt, um ein weiteres Regal voll Handtücher über der Schwester auszukippen, die sich gerade hochrappeln wollte.
    Blatt hatte den Raum hinter sich gelassen und war auf dem Gang, als die Schwester den Kopf freibekam und hinter ihr herschrie; sie klang halb wie eine Frau und halb wie ein Junge. Was immer sie – oder der Skelettjunge – rief, wurde abgeschnitten, als die Tür hinter Blatt zuschlug.
    Den Wortlaut hatte Blatt zwar nicht verstehen können, aber der Tonfall ließ keine Zweifel an seiner Bedeutung. Der Skelettjunge wusste, dass sie mit dem Pilz infiziert war. Früher oder später würde er ihren Verstand beherrschen, und ihr würde keine Wahl bleiben, als die Schachtel und die Tasche wieder herzugeben.
    Schließlich konnte sie sowieso nirgendwo hin.

Kapitel Neun
     
     
    Nach der Bügellektion demonstrierte Korporal Axtraus weitschweifig, wie man eine lehmig-weiße Paste auf die Rekrutengürtel auftrug, möglichst ohne sie sonst wo hinzuschmieren. Anschließend kam das Polieren der Stiefel an die Reihe; dazu wurde eine scheußliche, teerige Mixtur aufgetragen und das sehr schwarze, aber raue Resultat mit Sand glatt geschmirgelt, bevor eine glänzende Politur zur Anwendung kam, die bestimmt die klebrigste Substanz

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