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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Eigentlich hatte Diana keinen Hunger gehabt, doch Mr Greens Kochkünste hatten sie dazu gebracht, so viel zu essen, dass sie sich fühlte, als könnte sie sich durch das Haus rollen.
    Am Nachmittag klingelte es an der Haustür. Ein schrilles Geräusch, das nicht zu dem Gebäude passte, dafür aber in den tiefsten Winkeln zu hören war.
    Da Mr Green zu Besorgungen unterwegs war, musste Dia­na selbst die Tür öffnen. Von ihrem Laptop ablassend ­erhob sie sich von dem bequemen Ledersofa und eilte durch das Labyrinth von Gängen, bis sie schließlich das Foyer erreichte.
    Der Besucher schien das Warten gewohnt zu sein. Als sie zur Glastür kam, stand er noch immer davor, geduldig den Kopf gesenkt, den Hut in der Hand. Noch verbarg das mit Jugendstilmustern durchbrochene Milchglas sein Aussehen, doch als Diana den Türflügel aufzog, sah sie sich einem etwa achtzig Jahre alten Gentleman mit dichtem grauen Haar und schwarzem Trenchcoat gegenüber.
    »Dr. Sayers?«, platzte es aus ihr heraus.
    Der Mann, der die Augen aufriss, als sähe er einen Geist, nickte. Erst einen erstaunten Augenblick später schien ihm zu dämmern, wer sie war.
    »Sie sind die Enkelin von Beatrice, nicht wahr?«
    »Ja, die bin ich.« Diana lächelte. Wie lange hatte sie diesen Mann nicht mehr gesehen? In ihrer Kindheit hatte er Tremayne House des Öfteren besucht, durch seinen Dienst als Arzt hier hatte er freundschaftliche Beziehungen zu Emmelys Familie geknüpft. Als Dianas Besuche immer spärlicher wurden, weil sie begann, ihr eigenes Leben zu leben, hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Hin und wieder hatte Tante Emmely von ihm gesprochen, doch er war mehr und mehr zu einem Phantom geworden. Nun schärften sich seine Züge in ihrer Erinnerung wieder.
    »Meine Güte, wann habe ich Sie zuletzt gesehen?« Ein Lächeln erweichte sein strenges Gesicht. »Als Sie vierzehn waren? Muss mehr als zwanzig Jahre her sein.«
    »Gut möglich. Aber Sie haben sich nicht verändert, Doktor.«
    Sayers stieß ein spöttisches Lachen aus. Das Eis war gebrochen. Er tätschelte ihren Arm.
    »Schmeicheln Sie doch keinem alten Mann, der kommt womöglich noch auf dumme Gedanken!«
    »Sie kommen wegen Tante Emmely, nicht wahr?«
    »Ja, ich habe schon seit einigen Tagen nichts gehört. Geht es ihr gut? Dass ihre Nichte hier ist, wird sie sicher freuen, Sie waren für sie immer so was wie eine Enkelin.«
    Diana senkte traurig den Kopf. Offenbar wusste er es noch nicht. »Kommen Sie doch erst einmal herein, Dr. Sayers, ich erzähle Ihnen dann alles.«
    Ahnungsvoll schweigend folgte ihr der Arzt in die Küche, die von der durch die Wolken brechenden Nachmittagssonne regelrecht geflutet wurde. Obwohl Mr Green seine Arbeit sehr gewissenhaft versah, tanzten kleine Staubpartikel in den Lichtstrahlen. Alte Häuser stauben von allein zu, hatte ihre Mutter immer wieder gesagt.
    Den lebenden Beweis hatte sie hier.
    »Bitte setzen Sie sich und entschuldigen Sie, dass ich Sie gerade in die Küche schleppe. Im Wohnzimmer habe ich ein wenig Unordnung angerichtet. Papierkram.«
    Der Arzt nickte einsichtig, während er sich auf dem Küchenstuhl niederließ. »Ja, die Behörden lassen einen nie in Ruhe. Emmely freut sich sicher, dass Sie ihr unter die Arme greifen.«
    Diana würgte den Kloß in ihrem Hals herunter. Einmal muss ich ja doch raus mit der Sprache. »Tante Emmely ist ins Krankenhaus gekommen, vorgestern, wie Mr Green sagte. Sie hatte wieder einen Schlaganfall.«
    »O mein Gott!« Dr. Sayers hob hilflos die Hände. »Wo ist sie jetzt?«
    »Im St. James. Da sie zusätzlich noch eine Lungenentzündung hat, wird sie künstlich beatmet und ist nicht ansprechbar. Ich war heute Vormittag bei ihr.«
    Sayers brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. »Das ist ja so furchtbar. Tut mir leid, Miss Diana.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen.« Diana atmete tief durch, während sie beklommen auf ihre Hände starrte. Da Mr Green das Haus nicht verlassen hatte, ohne eine Kanne Tee warm zu stellen, erhob sie sich schließlich und goss Dr. Sayers und sich eine Tasse ein. Der Teeduft konnte ihre Beklommenheit diesmal nicht auflösen, aber in Gegenwart des Gastes nahm sie sich zusammen.
    »Schade nur, dass ich nicht mehr praktiziere und somit das Recht habe, in jedes Krankenhaus zu stapfen und mich als Hausarzt auszugeben. Ich hätte dem alten Mädchen Bescheid gesagt, dass sie sich noch nicht aus dem Staub machen darf. Mit wem soll ich sonst jeden Mittwochnachmittag reden und

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