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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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an.»
    Man merkte ihm an, dass er für den Artikel genauso wenig Interesse aufbrachte wie für seinen Schwiegersohn, der da vor ihm im Wohnzimmer stand. Wahrscheinlich wollte er mich möglichst schnell loswerden, sich auf das Sofa fallen lassen und sich dem köstlichen Nachgeschmack des Champagners hingeben. Es war die reine Höflichkeit, dass er mich nicht wegschickte, und die reine Höflichkeit, dass er mir die schlappe Hand eines alternden Lüstlings entgegenstreckte, um mir die Papiere abzunehmen.
    «Herr Professor», sagte ich in der Hoffnung, ihn aufzumuntern. «Es ist ein Bericht über Affen, die Schnaps brennen. Und zwar nicht über irgendwelche Affen, sondern die Affen auf dem Berg des Weißen Affen gleich hier in der Nähe von Jiuguo.»
    Zögernd hob er die Papiere vor die Augen und überflog sie. Seine Augen bewegten sich wie alte Zikaden, die sich auf einem Weidenzweig winden. Wäre es dabei geblieben, wäre ich bitter enttäuscht gewesen. Dann hätte ich einsehen müssen, dass ich ihn nie verstanden hatte. Aber ich hatte ihn verstanden, und ich wusste, dass der Artikel seine Neugier erwecken und sein betrübtes Gemüt aufhellen würde. Ich wollte ihn glücklich machen, nicht weil ich mir etwas davon versprach, sondern weil ich fühlte, dass sich im hintersten Winkel des Geistes eines alten Mannes ein unschuldiges kleines Tier versteckte, weder Hund noch Katze, sondern ein Tier mit glänzendem Pelz, kurzer Schnauze, großen Augen, einer leuchtend roten Nase und krummen Beinen. Dieses kleine Tier fesselte mich, als sei es mein eigener Zwillingsbruder. Natürlich war das ein absurdes, lächerliches, sinnloses Gefühl. Wie ich es erwartet hatte, fingen seine Augen an zu leuchten, sein kraftloser Körper rührte sich, und vor Erregung wurden seine Ohren rot, und seine Finger fingen an zu zittern. Ich glaubte, das kleine Tier sehen zu können, wie es seinen Körper verließ und von unsichtbaren Seidenfäden gezogen einen Meter über seinem Kopf in der Luft herumsprang. Ich war aufrichtig glücklich, aufrichtig begeistert, aufrichtig erregt, aufrichtig außer mir.
    Er warf noch einen schnellen Blick auf die Fotokopie. Dann schloss er die Augen, und seine Finger schlugen einen lebhaften Trommelwirbel auf dem Papier. Er öffnete die Augen wieder und sagte:
    «Ich werde es tun!»
    «Was werden Sie tun?»
    «Nach all den Jahren, die wir uns schon kennen, musst du fragen?»
    «Ihrem Schüler mangelt es an Talent und Wissen, und er ist unfähig, die Tiefe Ihrer Worte zu ergründen.»
    «Dumme Sprüche», sagte er traurig, «nichts als dumme Sprüche. Ich werde mich auf den Weg zum Berg des Weißen Affen machen und den Affenschnaps suchen.»
    Aufregung und Unruhe überfielen mich ohne mein Zutun. Ich ahnte, dass ein lang erwartetes Ereignis unmittelbar bevorstand. Flutwellen würden ein Leben verschlingen, das bisher so ruhig gewesen war wie stille Wasser. Eine faszinierende Geschichte, wie sie für ein Trinkgelage nicht besser geeignet sein konnte, würde sich bald in ganz Jiuguo verbreiten und die Stadt, die Brauereihochschule und mich in ein Abenteuer stürzen, das auf der Verschmelzung von Volksliteratur und Hochliteratur beruhte. Und all dies würde eine Folge meiner zufälligen Entdeckung in der Stadtbibliothek sein. Mein Schwiegervater würde sich auf die Suche nach dem Schnaps vom Berg des Weißen Affen machen, und Scharen von Neugierigen würden ihm folgen. Aber ich sagte nur:
    «Professor, Sie wissen, dass Geschichten wie diese meist Erfindungen müßiger Schreiberlinge sind. Wir sollten sie als Produkte einer überhitzten Phantasie begreifen und nicht allzu ernst nehmen.»
    Aber er hatte sich vom Sofa erhoben. Er war bereit zum Aufbruch, ein Soldat, der in die Schlacht zieht.
    «Meine Entscheidung ist gefallen», sagte er. «Du kannst dir deine Worte sparen.»
    «Professor, das ist eine wichtige Entscheidung. Sollten Sie sie nicht wenigstens mit meiner Schwiegermutter besprechen?»
    Er warf mir einen kalten Blick zu und sagte:
    «Was zwischen ihr und mir war, ist vorbei.»
    Er zog seine Armbanduhr aus und setzte die Brille ab, als wolle er zu Bett gehen. Aber stattdessen ging er zur Wohnungstür, öffnete sie entschlossen, trat hinaus und ließ sie hinter sich ins Schloss fallen. Das dünne Türblatt trennte von nun an seine Welt von der meinen. Als er die Tür öffnete, drangen Donnergrollen, Sturmheulen, Blitzschläge und Regenprasseln zusammen mit kalter feuchter Luft ins Haus. Er schloss die Tür, und

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