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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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ebenso mutig bin wie du, aber nur, wenn ich nicht anders kann! Da ich nun diesem Niederträchtigen geantwortet habe, nehme ich Abschied von euch beiden, liebe Vettern, und kehre in die Stadt zurück, wo es viel angenehmer ist als auf dem Land!«
    Michael hielt ihn jedoch sanft zurück und küsste ihn, und er fügte sich, wohl wissend, dass jede Flucht unmöglich war, und wie hätte er sich auch nach Mitternacht auf den Wegen voller Steine und Gespenster zurechtfinden sollen? Aber wenigstens musste er sich verbergen, denn schließlich konnte der Ehemann ja plötzlich alles erraten und mit einer Stutzbüchse seiner jungen Frau nachgelaufen kommen, um sie zu hindern, an diesen Ort des Tanzes und der Sorbets zu gehen! Ja, sich verstecken, zum Teufel noch mal, denn eine verirrte Kugel kann einen schnell treffen! Beschlossen, getan. Nachdem er auf allen vieren unter einen Haufen abgeschnittener Äste in der Nähe des Heuschobers, an dem seine Cousins lehnten, gekrochen war, bat er Michael, ihn mit Laub zu bedecken. Solchermaßen als Wald getarnt, beruhigte er sich. Aber nach einigen Minuten des Schweigens ertönte ein Stimmchen aus dem Laub.
    »O Allmächtiger Jakob«, sagte das Stimmchen, »warum liebt der Herr Solal nicht die Töchter unseres Volks? Sind sie nicht häusliche Königinnen, und salben sie nicht ihr Haar mit wohlriechendem Öl am heiligen Tag des Sabbats? Was ist denn an den Töchtern der Gojim so besonderes?«
    »Sie tragen ihm Gedichte vor«, höhnte Eisenbeißer.
    »Seltsam, das hatte ich auch immer gedacht«, sagte das Stimmchen nach kurzer Überlegung.
    »Aber wenn er krank ist«, fuhr Eisenbeißer fort, »sagen sie ihm keine Gedichte mehr, weil er sie anekelt, wenn er krank ist! Dann stecken sie sich zwei Finger in den Mund und pfeifen und sagen zu dem sogleich herbeigeeilten Hoteldiener: Schaff mir dieses Aas aus den Augen! So sind sie, und so führen sie sich auf!«
    »Ja, aber wenn du nicht krank bist, welch köstliche Wonnen erwarten dich dann!«, erwiderte Salomon, der aus seinem Laub hervorgekrochen war. »Eine junge Dame, die dir den ganzen Tag Gedichte vorträgt, das ist doch schön!«, rief er mit geballten Fäustchen und zum Himmel gerichtetem Blick. »Du stehst am Morgen auf, und sofort hörst du ein Gedicht, das Pfirsichsaft für den Magen deiner Seele ist!«
    »Eisenbeißer«, fragte Michael, »ist diese Geschichte mit dem Aas und dem Pfiff wirklich wahr oder nur ein Blitz deines Geistes? Der Herr ist ja Gott sei Dank nicht krank, aber falls er eines Tages Rückenschmerzen haben sollte, würde sie ihm dann nicht ein Senfpflaster auflegen?«
    »Was schert mich ein Senfpflaster!«, rief Salomon. »Was schert es mich, solange ich morgens früh beim Erwachen …« (Aber er erinnerte sich, dass er Salomon, Verkäufer von Aprikosenwasser, war, und schwieg).
    »Wenn es dir so sehr gefällt, o Ameise mit Menschenkopf«, sagte Eisenbeißer, »worauf wartest du dann noch, um dem Herrn Solal seine poetische Pfeiferin auszuspannen?«
    »Ich bin zu klein«, erklärte Salomon. »Sie würde mich nicht wollen, verstehst du, mein Freund? Der Ewige, gelobt sei sein Name, macht seine Geschöpfe ganz nach seinem Vergnügen.«
    »Reichlich viel Aufhebens wegen dieser Liebesgeschichten«, sagte Mattathias gähnend. »Da rede man mir doch lieber von einer positiven Jahresbilanz.«
    »Was für ein Vergnügen?«, rief Michael aggressiv. »Was weißt du denn, du Sohn eines Vaters mit wässrigem Samen mit deinen zwei winzigen Eiern, was weißt du denn von den Vergnügungen, die ihnen in dieser heißen Nacht zuteil werden? Was weißt du denn, o Maulesel, von dem Feuer, das nach dem Tanz in ihnen lodert, wenn sie dann im Hotel des Reichtums lange Stunden des Vergnügens verbringen, sie im Zustand der Natur, ausgestreckt auf den seidenen Bettlaken, die Augen durch blaue Schminke verlängert, die Kehle weiß wie der Schnee auf den Zweigen des Baumes, gewürzt mit Wohlgerüchen, feurig ihre vier gefahrvollen Rundungen verrenkend und zu allem bereit unter dem Betthimmel mit goldenen Fransen, und dann wird der Herr …«
    »Nein, fahre nicht fort!«, flehte Salomon ihn an.
    »Und dann, nach endlosen feuchten Küssen und ausgelassenen Schäkereien, wird sich der Herr, der als einzigen Schleier nur seine Hände hat, ebenfalls auf dem Bett ausstrecken, und sie, die gut beleumundete Wohlproportionierte, an die Grenze des Frohlockens gelangt und in großer Hitze, wird lachend die Hände des Lieblings ihrer Seele beiseite

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