Die Schöne des Herrn (German Edition)
einer kleinen Jadekugel Fußball spielen ließ, klopfte es zweimal an die Tür. Er drehte sich um, sah ein unter der Tür durchgeschobenes Blatt Papier und hob es auf.
»Alle Leute aus meinem Milieu hatten mich verlassen. Mein einziger naher Verwandter, mein Onkel, befand sich in Afrika. Ich war so allein, mein Leben war so leer. Als ich mich bereit fand, die Mätresse dieses Mannes zu werden, geschah es nur, um mir seine Freundschaft zu erhalten, um mich nicht ganz allein zu fühlen. Ich habe ihn niemals geliebt. Er war meine Zuflucht vor dem armen Teufel, der mein Ehemann war. Sobald du erschienen bist und mich begehrt hast, hat er für mich nicht mehr existiert. Verspotte mich nicht, wenn ich dir sage, dass ich seelisch und körperlich als Jungfrau zu dir gekommen bin. Verspotte mich nicht, denn es ist wahr. Ja, auch körperlich, denn die Freuden des Körpers habe ich erst durch dich kennengelernt. Verlass mich nicht. Wenn du mich nicht mehr willst, gibt es für mich nur noch einen Ausweg. Ich leide, lass mich herein.«
Leises ersticktes Schluchzen hinter der Tür. Er zog einen weißen Handschuh über die verletzte Hand, einen zweiten über die andere, und wechselte den Schlafrock, wählte einen schwarzen, der mit den Handschuhen kontrastierte. Nach einem Blick in den Spiegel öffnete er. Sie saß auf dem Boden, mit wirrem Haar, den Kopf an den Türpfosten gelehnt, ein kleines Taschentuch in der Hand. Er nahm ihre Arme und half ihr aufzustehen. Da sie am ganzen Körper zitterte, öffnete er den Schrank, nahm einen Mantel heraus und legte ihn ihr um. In diesem viel zu weiten und zu langen Männermantel, der sie bis zu den Knöcheln bedeckte, wirkte sie wie ein kleines Kind. Ihre Hände verschwanden in den Ärmeln, und sie klapperte mit den Zähnen, ein zerbrechliches Geschöpf in ihrem viel zu großen Mantel.
»Setz dich«, sagte er zu ihr. »Ich werde dir Tee machen.«
Sobald sie allein war, stand sie auf, nahm einen Kamm und eine Puderdose aus der Tasche ihres Morgenrocks, kämmte sich, schnäuzte sich, puderte sich, setzte sich wieder, wartete, blickte sich um und wunderte sich über den kleinen Bären, von dem er ihr nie erzählt hatte und der dem, den er ihr geschenkt hatte, wie ein Zwilling glich. Mit dem Zeigefinger fuhr sie sanft über die samtene Stirn des kleinen Tiers. Als er mit einem Tablett eintrat, begann sie wieder zu zittern.
»Trink, Liebling«, sagte er, nachdem er den Tee eingegossen hatte. (Sie schniefte, blickte zu ihm auf wie ein geprügelter Hund, trank einen Schluck und zitterte noch mehr.) »Möchtest du einen Keks? (Sie schüttelte schüchtern den Kopf.) Trink nur.«
»Liebst du mich noch?«, hatte sie den Mut, ihn zu fragen.
Er lächelte, und sie ergriff seine behandschuhte Hand, küsste sie sanft.
»Hast du die Wunde desinfiziert?«
»Ja.«
»Möchtest du nicht auch etwas Tee? Ich werde dir eine Tasse holen.«
»Nein, es lohnt sich nicht.«
»Dann trink aus meiner Tasse.«
Er trank und setzte sich ihr gegenüber. Von den Nachbarn drang Tanzmusik herüber, begleitet von fröhlichem Geschrei. Sie nahmen keine Notiz davon. Es war spät, aber sie war nicht müde. Heute Abend langweilen wir uns nicht, dachte er. Sie nahm ein Etui vom Tisch, reichte es ihm, und er zündete sich eine Zigarette an. Er rauchte zwei Züge und drückte sie dann aus. Erneut lächelte er ihr zu, und sie kam auf seinen Schoß und bot ihm ihre Lippen. Der Kuss war tief. Da sie ihn jetzt begehrte, wusste sie bald, als sei nichts geschehen, dass auch er sie begehrte. Oh, diese Zufälle. Er erinnerte sich plötzlich, dass dieselben Lippen einem anderen zur Verfügung gestanden hatten, und zog sich zurück, ohne ein Drama daraus zu machen.
»Es ist vorbei, Liebling, und ich bitte dich um Verzeihung. Aber wenn du willst, dass es für immer vergessen ist, musst du mir alles sagen.«
»Aber danach wird es nur noch schlimmer sein.«
»Im Gegenteil, es wird mich beruhigen, ich werde nicht mehr das unerträgliche Gefühl haben, dass du etwas vor mir verbirgst. Wenn ich mich vorhin so unmöglich aufgeführt habe, was ich aufrichtig bedaure, so nur, weil ich mich aus einem Teil deines Lebens verbannt gefühlt habe, wie ein Fremder, der nicht das Recht hat, Bescheid zu wissen. Es hat mir zu weh getan.«
Er schob ihr zärtlich eine Locke zurecht.
»Bist du sicher, dass danach alles gut sein wird?«
»Danach wirst du ein lieber Schatz sein, der seinem Freund alles gesagt hat. Und wer ist dieser Dietsch denn
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