Die schöne Diebin
ehe sie sich erhob. Was sollte sie sagen? Bestimmt hatte Brandon nicht wirklich vor, sie zu schlagen. Schweigend starrte sie ihn an.
Er starrte zurück, ärgerlich und enttäuscht zugleich. Er war nach oben gegangen, nachdem Jack sich zurückgezogen hatte. Die Vorstellung, Nora mit einem Kuss zu wecken, war für Brandon sehr angenehm gewesen! Er hatte geglaubt, sein Kätzchen würde noch im Bett liegen, verschlafen die Augen öffnen und ihn in die Arme schließen.
Stattdessen war Nora im Begriff, sich heimlich davonzustehlen.
Es war ein ziemlicher Schlag für sein Selbstbewusstsein. Kaum denkbar, dass die Frau, die er – wie er eben herausgefunden hatte – über alle Klassenschranken hinweg zu seiner Countess machen wollte, es vorzog, ihn zu verlassen! Wahrhaftig, das war schlimmer als eine Komödie, wie man sie im Theater an der Drury Lane aufführte! Ein Earl, reich, gut aussehend, weltgewandt und bei den Damen beliebt, wollte ausgerechnet die Frau haben, die ihn als Einzige verabscheute. Nun gut, Nora verabscheute ihn nicht. Aber dass sie nach allem, was in der vergangenen Nacht geschehen war, heimlich aus dem Fenster hatte klettern wollen, war einfach unerträglich!
Brandon schloss die Tür hinter sich, straffte die Schultern und fragte: „Was soll das?“
„Ich bin nicht wirklich deine Verlobte“, erklärte sie.
„Stimmt. Aber außer uns weiß das niemand.“ Er faltete die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen den Türrahmen und versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. „Du kannst dich nicht vor aller Welt als meine Braut ausgeben und mich nur wenige Stunden später allein lassen, damit ich alles wieder in Ordnung bringe. Wie soll ich dein plötzliches Verschwinden erklären? Eine gelöste Verlobung ist immer ein Skandal. Aber wenn ein Earl sitzen gelassen wird, redet ganz England darüber. Es wäre wirklich nicht fair mir gegenüber.“
„Ich bin sicher, dir würde schon etwas einfallen, um den Schaden möglichst gering zu halten. Du könntest behaupten, du hättest herausgefunden, dass ich eine Frau mit lockerer Moral bin. Bestimmt würde man dich bedauern, wenn du darüber klagst, wie hinterlistig ich dich getäuscht habe.“
„Ich bin ein schlechter Lügner. Und du bist kein Mensch ohne Moral. Tatsächlich kenne ich keine zweite Frau, die ein so ausgeprägtes soziales Gewissen hat und der ihre Ehre so wichtig ist. Außerdem wäre es meinem Selbstbewusstsein nicht gerade förderlich, wenn ich zugeben müsste, dass ich von einer Frau hereingelegt worden bin. Möglicherweise würde man mir noch nicht einmal glauben. Jeder hier hält mich für einen Gentleman, der etwas von Frauen versteht.“
„Ach, du bist ja der Cock of the North“, spottete Nora. „Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich deine männliche Eitelkeit kränken würde. Betrügen wir die Welt also und spielen weiterhin Braut und Bräutigam.“
Das hört sich schon besser an, dachte Brandon, vielleicht kann ich sie doch noch dazu bewegen, hierzubleiben. Und laut sagte er: „Ich möchte lieber die Welt betrügen als mich selbst. Mir fehlt auch jedes Verständnis dafür, dass du dich einfach zur Tür hinausschleichen wolltest. Wie kannst du nur so tun, als habe die letzte Nacht nichts zu bedeuten?“
„Ich möchte zwei Dinge richtigstellen. Erstens: Ich wollte mich nicht zur Tür hinausschleichen, sondern aus dem Fenster klettern. Und zweitens: Ich kann noch viel weniger verstehen, welche Bedeutung du der letzten Nacht unbedingt zumessen willst. Es ist nichts geschehen, was dich zwingen könnte, dich mir verpflichtet zu fühlen.“
„Aber du stimmst mir doch darin zu, dass wir Witherspoon daran hindern müssen, herauszufinden, wer die Katze ist.“
„ Ich muss dafür sorgen, dass Witherspoon die Katze nicht erwischt. Du hast nichts damit zu tun.“
„Unsinn! Wenn dieser Kerl feststellt, dass The Cat und meine Verlobte ein und dieselbe Person sind, dann habe ich ein großes Problem. Schon deshalb ist es mir wichtig, dich in Sicherheit zu wissen. Sicherheit kann es aber nur geben, wenn du keine Einbrüche mehr begehst. Wenn die Diebstähle aufhören, wird das Interesse an der Katze rasch abflauen.“
„Verlangst du etwa, dass ich all meine Ziele verrate? Ha! Du redest von meiner Sicherheit und willst im Grunde doch nur, dass deine Fabrik rasch fertiggestellt wird. Wenn die Investoren die Katze nicht mehr fürchten müssen, werden sie hierbleiben. Dann brauchst du dir keine Sorgen um die Finanzierung deines Vorhabens zu
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