Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schoene Frau Seidenman

Die schoene Frau Seidenman

Titel: Die schoene Frau Seidenman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
Vom Netzwerk:
Nase herumgeführt?« fragte sie. »So wie heute den Stuckler?«
      Er fuhr sich mit der Hand über das gerötete Gesicht, und es verfinsterte sich.
    »Die ganze Nacht habe ich nur überlegt«, sagte er, »wie ich an Stuckler herangehen soll… Vielleicht kommt Ihnen das seltsam vor, aber es ging mit ihm ganz einfach! So war das bei den Moskowitern nicht… Stuckler ist Deutscher. Und über die Deutschen kann ich in ganz Warschau am meisten sagen. Da kommt zu ihm der Parteigenosse Müller, Direktor einer großen Reparaturwerkstatt, Angehöriger des Rüstungskommandos. Er kommt zu ihm und erzählt, irgendein Jidde habe eine Bekannte von ihm unter dem Verdacht jüdischer Herkunft von der Straße weggeholt. Stuckler ist Deutscher, und die Deutschen sind gradlinig. Wenn Sie gestatten, gnädige Frau, sage ich sogar noch mehr. Die Deutschen sind flach wie ein Brett! Ohne Phantasie, ohne Heuchelei, ohne Unaufrichtigkeit. Man hat Stuckler befohlen, die Juden auszurotten, also tut er's. Falls man ihm befehlen sollte, die Juden zu mögen, wird er Ihnen, gnädige Frau, die Hand küssen und Sie mit dem besten französischen Kognak bewirten. Disziplin, Genauigkeit, Redlichkeit bei jeder Arbeit. Bei der verbrecherischen leider auch! Was hat er sich wohl gedacht, als ich zu ihm kam und erzählte, meine Bekannte, die Frau Hauptmann Gostomska und so weiter und so weiter? Gedacht hat er, da sei ein Irrtum unterlaufen, man muß diese Frau entlassen und diesem Spitzel ordentlich eins in die Fresse hauen.«
      Irma Seidenman lauschte mit leicht geneigtem Kopf, nun schon ganz ruhig, mit Müllers Worten beschäftigt, als erzählte er ihr von irgendwem, von einer interessanten, aber ihr gänzlich fremden Angelegenheit, die Irma Seidenman überhaupt nicht betraf.
    »Ja«, fuhr Müller fort, »die ganze Nacht habe ich mir überlegt, wie ich das Spiel mit ihm anfangen sollte. Eines schien mir sicher, ich mußte mit Verve spielen, ohne jedes Zögern, ohne eine Sekunde der Besinnung. Ich hatte nur Angst, ob Sie das verstehen und sich entsprechend verhalten würden. Aber er ist Deutscher. Mit einem Deutschen wäre es auch gelungen, wenn sich Schwierigkeiten eingestellt hätten. Nicht so mit einem Moskowiter, gnädige Frau, nicht mit einem Moskowiter. Das wäre ein völlig anderer Fall gewesen. Elegant, schlanke Taille wie bei einem heiratsfähigen Fräulein, geleckt, höflich, gelenkig, fix, sanft. ›Wie freue ich mich, lieber Iwan Iwanowitsch, daß Sie geruhen, mich zu besuchen!‹ Das wäre der Anfang gewesen, gnädige Frau. Ein Kognak, klar. Ich rede, daß dies und jenes… Er hört höflich zu. Er lächelt, er hat zarte Hände, Frauenhände. Er bewegt sie auf der Tischplatte, und auf dem Schreibtisch kein einziges Papierchen, kein einziges Dokument, absolut nichts. Ich rede, er hört zu. Ich bin fertig, er schweigt. Er lächelt und schweigt. Was ein Deutscher in diesem Augenblick denkt, weiß ich genau! Der zögert, weil ja ein Protokoll gemacht worden ist in Ihrer Sache, eine Mappe, ein Akt im Regal liegt, andererseits sagt Direktor Müller, da sei ein Irrtum passiert, einen Irrtum muß man reparieren, die Deutschen begehen keine Irrtümer, das ist nicht ihr Stil. Was ein Deutscher denkt, weiß ich genau. Aber was ein Moskowiter gedacht hätte, weiß ich nicht. Niemand weiß das, auch ein anderer Moskowiter nicht. Also Schweigen. Und ich fange wieder von vorn an. Er hört höflich zu. Er betrachtet seine Fingernägel. ›Lieber Iwan Iwanowitsch, wir plaudern so angenehm.‹ Schließlich sagt er zu mir: ›Moment mal, Iwan Iwanowitsch, gleich zeigen wir Ihnen diese Seidenman!‹ Und wieder bietet er mir Kognak an. Dann tritt eine Frau ein, vielleicht sogar auch eine Blondine, vielleicht sogar blauäugig, aber keineswegs Sie, sondern eine ganz andere Person. Er schaut sie an. Ich spiele meinen kurzen Auftritt, er aber lächelt. Dann sagt er zu dieser Frau: ›Danke, Niura, gehen Sie wieder in Ihr Zimmer.‹ An mich aber wendet er sich mit trauriger Miene, Besorgnis in den Augen, fast muß er weinen. ›Warum denn, lieber Iwan Iwanowitsch, diese gegenseitige Unannehmlichkeit! Wegen einer Hebräerin? Überdenken Sie das, Iwan Iwanowitsch, sonst werden wir ärgerlich…‹ Und wenn ich dann etwas murmle, ist er plötzlich überhaupt nicht mehr elegant, weibisch, weich, sondern in ihm bricht die Bestie, der Tiger hervor, er holt aus einer Schublade die Knute, er knallt mit der Knute über meinem Nacken, schlägt zu oder auch nicht, schreit

Weitere Kostenlose Bücher