Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Bresnitz, Dezember 1556
Inzwischen redete niemand offen mehr davon, dass und wie Dusana verschwunden war, doch hinter vorgehaltener Hand brodelten die Gerüchte umso eifriger. Philippine merkte es daran, dass Gespräche abrupt verstummten, sobald sie die Küche betrat oder verfrüht in die Badestube platzte, bevor der große Zuber ganz gefüllt war.
Keiner im Schloss hatte die junge Zofe mehr gesehen, seitdem die hohen Herren aus Prag nach jenem festlichen Abend fortgeritten waren. Zuerst hieß es, sie sei mit einem bärtigen Kesselflicker davongelaufen. Später, eine versteckte Schwangerschaft habe sie in ihr Heimatdorf zurückgetrieben – wo sie freilich, wie sich herausstellte, niemals angekommen war. Je mehr Wochen ins Land gingen, desto wirrer und haltloser wurden die Mutmaßungen, die schließlich darin gipfelten, sie habe sich aus Liebeskummer im Teich hinter dem Schloss ertränkt und spuke seitdem dort in Neumondnächten.
An ihre Stelle war Lenka getreten, so blond und still, dass Philippine manchmal vergaß, dass sie überhaupt mit im Raum war. Sie war unscheinbar und lächelte selten, aber gab sich größte Mühe, alles richtig zu machen. Gewissenhaft und ordentlich in allen Belangen, wirkte sie gleichzeitig so verschwiegen, dass man sich keine bessere Zofe hätte wünschen können.
Denn zur Verschwiegenheit gab es allerlei Grund.
Ferdinand besuchte Schloss Bresnitz inzwischen regelmäßig. Manchmal kam er sogar mitten in der Nacht, als könne er es nicht ertragen, die Sonne auch nur ein einziges Mal ohne Philippines Gegenwart aufgehen zu sehen.
Diese Morgen, wenn sie ihn unversehens in dem gemütlich ausgestatteten Raum vorfand, den Katharina eigens für ihn zum Speisezimmer hatte einrichten lassen, liebte sie am allermeisten. Dann flog sie an seine Brust, während er sie festhielt, als wolle er sie niemals wieder loslassen. Während er seinen Hunger stillte – und Ferdinands Appetit war beachtlich – , ließ sie tausend Fragen auf ihn niederprasseln, die er lächelnd und geduldig beantwortete.
Wie nah sie sich inzwischen waren!
Sie kannte sein Lächeln, die kleine blaue Ader, die neben seinem rechten Auge zu pochen begann, sobald ihn etwas ärgerte. Seinen Geruch, in den sich inzwischen eine kräftige winterliche Note geschlichen hatte, weil er nicht genug von Bratäpfeln mit Zimt und Zucker bekommen konnte. Seinen Körper, der so weich und geschmeidig war, wenn ihn etwas freute, und zur Eissäule erstarren konnte, ging ihm etwas gegen den Strich – allerdings bislang nur unter Kleidern.
Die Spannung zwischen ihnen stieg von Mal zu Mal mehr, das spürten sowohl Philippine als auch Ferdinand. Manchmal genügten schon zufällige Berührungen, um die Funken fliegen zu lassen. Die Küsse, die sie tauschten, waren von solch verzweifelter Wildheit, dass sie mit einer Mischung aus Bienenhonig und Lavendelöl ein bewährtes Mittel ihrer fernen Mutter anwenden musste, um die aufgesprungenen Lippen wieder zu glätten.
Und doch hatten sie noch keine gemeinsame Nacht miteinander verbracht.
Trotz aller Diskretion, um die sie sich bemühten, war es unmöglich, seine Besuche zu verheimlichen. Weil Katharina es vorzog, den Stier bei den Hörnern zu packen, anstatt womöglich unter den donnernden Hufen von Gerede und Spekulation zertrampelt zu werden, hatte sie eines Abends die gesamte Dienerschaft um sich versammelt. Der Erzherzog sei ein geschätzter Gast, der Hausrecht besitze. Ihm sei höflich und freundlich zu begegnen, mehr erwarte er nicht. Wer dagegen bösartigen Tratsch verbreite, könne auf der Stelle sein Bündel schnüren und gehen.
Wo sollte man mitten im Winter eine neue Anstellung finden? Außerdem war Katharina von Loxan bei Dienern und Mägden beliebt, und der halbe Silbertaler, den sie jedem zur Bekräftigung zusätzlich in die Hand drückte, tat sein Übriges.
Trotzdem schien die Situation auch ihr allmählich zuzusetzen, und als Ferdinand sich nach dem letzten Besuch auf sein Ross geschwungen und zusammen mit seinem Hofstallmeister, den Philippine ebenso wenig leiden konnte wie am ersten Tag, davongeritten war, zog sie die Nichte zur Seite.
»Ich weiß nicht genau, welches Spiel du da spielst, Pippa«, sagte sie. »Aber es macht mir Angst.«
»Das ist kein Spiel, Tante Kat«, versicherte sie. »Niemals war mir ernster zumute. Ferdinand ist alles, was mir fehlt. Und ich denke, ihm geht es ebenso mit mir.«
»Hat er jemals von Heirat gesprochen?«, sagte Katharina ruhig.
»Er hat
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