Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
der Zerknirschung und des Jammers.
Ich möchte meine kühne Amazone zurück, verlange ich. Komm wieder, Eva, sobald du sie gefunden hast!
Sie schenkt mir ein winziges Lächeln, das ich nicht zurückgeben kann.
Noch nicht.
Und doch gibt es in all der Trauer etwas, das mich aufrichtet: die Apotheke, die ich mithilfe meiner Mutter und Tante Kat ausstatte. Sie hat auch den richtigen Mann gefunden, der sie führen soll, Goran Guaranta. Er stammt aus dem Süden und weiß über Pflanzen und Kräuter noch besser Bescheid als sie, die Frau, die mich geboren hat.
Die neue Offizin wird nicht allein den Bewohnern des Schlosses zur Verfügung stehen. Mein unendlicher Kummer hat mich eines Besseren belehrt. Jeder, der krank wird und in Not gerät, soll uns willkommen sein. Keiner der braven Tiroler muss zum Gesundwerden seine mühsam erbuckelten Kupfermünzen opfern.
Keine Mutter soll leiden müssen.
Kein Kind ohne Hilfe fortgeschickt werden.
Fürs Erste halte ich mich im Hintergrund. Zu viele Gerüchte sind über mich im Umlauf. Die Zauberin, die den Erzherzog durch magische Rituale an sich fesselt.
Die Hexe, die ihr eigenes Kind frisst.
Die Buhlin, der eine gerechte Strafe gebührt.
Sie werden lernen, sich an mich zu gewöhnen, so wie ich lernen muss, mit dieser Leere weiterzuleben, die nun in mir gähnt.
Ferdinand versucht mich zu trösten, indem er mir vom Meer erzählt. Rau soll es sein in dieser Jahreszeit, wild und grau, mit hohen, zornigen Wellen und heller Gischt, die wie ein Schmuckband am Ufer zurückbleibt, die Luft so salzig, dass man den Geschmack im Mund nicht wieder loswird.
Plötzlich hat er wieder Farbe im Gesicht, ist nicht länger matt und fahl. Wie ein Jüngling kommt er mir vor, jemand, der auf große Fahrt gehen will, um der häuslichen Enge zu entfliehen.
Wie könnte ich ihm da sagen, dass die Bilder und Gerüche, die er wortreich heraufbeschwört, für mich bis in alle Ewigkeit mit unserem toten Kind verbunden sein werden?
Draußen fällt der erste Schnee, dünn, wie leichtes weißes Pulver.
Die Toten finden zurück nach Hause.
Helleborus niger
auch genannt Schelmrose, Hainwurz, Schneekaterl, Christwurz
Positive Wirkung: Herzstärkend, hilft gegen »zu kurzen Atem«, reinigt Zähne, heilt Fieber. Als Schnupftabak verwendet.
Negative Wirkung: Ganze Pflanze ist hochgiftig! Auf der Schleimhaut bilden sich Blasen, Schwindel, Ohrensausen, Koliken, Krämpfe, Lähmungen.
Kapitel XII
CHRISTROSE
Schloss Ambras, Februar 1570
In der Weihnachtsnacht hatte die Christrose ihnen als Orakel gedient. Mit erwartungsvollen Gesichtern umringten Philippine und die Jungen, Ferdinand, Katharina, Anna sowie Karl und Georg mit ihren Frauen die hohe Steinvase mit den zwölf Knospen. Jede von ihnen steht, so der Volksglaube, für einen Monat. Bleiben die Knospen geschlossen, so bedeutet das schlechtes Wetter, sind sie jedoch geöffnet, dann ist mit guter Witterung zu rechnen.
Eva von Schönburg war es schließlich gewesen, die die Losung eigenmächtig ausgeweitet hatte. Was für das Wetter gelte, so behauptete sie mit keckem Lachen, das gelte selbstredend auch für die Menschen. Folglich warte im Januar nur Gutes auf sie alle, weil die erste Blüte weit offenstehe, während der Februar durchaus das eine oder andere Missgeschick mit sich bringen könne. Aber erst der Wonnemonat Mai! Eine Blüte so winzig und grün – das müsse sicherlich einiges an Unheil bedeuten …
Warum musste Philippine ausgerechnet jetzt daran denken, wo die Mummerei ihrem Höhepunkt zustrebte?
Vielleicht weil die Schwägerin wieder einmal der glänzende Mittelpunkt des fürstlichen Festes war. Obwohl alle Masken trugen und die Gesichter somit verborgen blieben, stach sie heraus mit ihrem blutroten Kleid, so eng anliegend, dass es ihren geschmeidigen Leib mehr entblößte, als verhüllte. Die dunklen Haare waren mit dünnen Goldfäden verflochten. Brokatschuhe mit waghalsigen Absätzen, in denen sie sich freilich so anmutig zu bewegen vermochte, als sei sie barfuß, brachten ihre grazile Figur perfekt zur Geltung.
Nein, so sah kein Weib aus, das sich grämte, weil es keine Kinder gebären konnte!
Eva wirkte wie die fleischgewordene Sünde, gefährlich und verführerisch zugleich.
Die gesamte anwesende Männerschar lechzte nach ihr. Alle Blicke zog sie wie magisch an. Nicht zum ersten Mal – und gewiss auch nicht zum letzten. Etwas Flirrendes lag in der Luft, halb spielerisch, halb aggressiv, das zur Entladung
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