Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
drängte.
Es änderte nichts daran, dass Philippine genau wusste, woher die kostbare Atlasseide stammte, in der Eva glänzte, ebenso wie das massive Granatkreuz und die schweren Ohrhänger, in denen dunkle Tropfen funkelten. Aus ihren eigenen Truhen hatte sie Karls Frau mit diesen Kostbarkeiten ausgestattet und sich an Evas überschwänglicher Begeisterung gefreut, wenngleich sie inzwischen wusste, wie schnell diese wieder verfliegen konnte. Aus den anfänglichen Leihgaben waren längst Geschenke geworden, weil nichts, was Eva einmal in die Hände bekam, je wieder den Weg zurück zur eigentlichen Besitzerin fand. Wie eine Elster liebte sie alles, was glitzerte und glänzte, und wurde niemals müde, sich damit aufs Prächtigste auszustatten.
Im Vergleich zu ihr, die doch nur drei Jahre jünger war, fühlte Philippine sich unbeweglich und alt. Daran vermochte nicht einmal ihr kostbares Gewand etwas zu ändern, auf das sie sich wochenlang gefreut hatte – ganz im Gegenteil. Die Silberfäden, die es zum Schimmern brachten, als sei es aus Mondlicht gewoben, machten es beinahe so schwer wie eine Rüstung. Jeder Schritt war eine Anstrengung, die ihr den Schweiß unter die Achseln und auf die Stirn trieb.
Doch Ferdinand war so verrückt nach diesen neumodischen Tänzen aus Italien, die sie mit ihren Hofdamen und den dazugehörigen Herren eingeübt hatte, bis sie sie endlich beherrschten, dass sie ihm die Freude daran nicht verderben wollte. Beim Passamezzo hatte sie noch ganz gut mithalten können, denn er verlangte nur Schritte in gemäßigtem Tempo. Als darauf jedoch der schnellere Saltarello folgte, begann ihr Herz wie wild zu schlagen, und sie wäre beinahe über ihre lange Schleppe gestolpert.
Georg, ihr Tanzpartner, der im Gegenzug seine gertenschlanke Frau Rebekka an den Erzherzog abgegeben hatte, drückte ihre Hand.
»Alles gut, Pippa?«, flüsterte er. »Oder soll ich mich lieber unauffällig nach einem Stuhl für dich umsehen?«
»Geht schon«, murmelte sie zurück. »Muss ja. Später, beim Festmahl, kann ich mich immer noch ausruhen.«
Seit Marthas Tod überfiel sie immer wieder diese beklemmende Kurzatmigkeit, gegen die kein Kraut gewachsen zu sein schien. Ihr Herz schlug gegen die Brust wie ein gefangener Vogel. Füße und Hände waren eiskalt. Doktor Handsch hatte ihr schon vor Längerem eine Medizin aus rotem Fingerhut angerührt, die Philippine jedoch nur widerwillig und äußerst unregelmäßig schluckte, weil sie bitter schmeckte und ihr schwere, dunkle Träume bescherte.
Natürlich wäre es besser für ihre Gesundheit gewesen, weniger zu essen und maßvoll zu trinken, doch davon wollte Ferdinand nichts hören. Bei jedem seiner Besuche bestand er auf einer überreich gedeckten Tafel, an der zudem vorzügliche Weine kredenzt wurden, vor allem jedoch darauf, diese Genüsse mit seinem Weib zu teilen. Noch spätabends im Bett ließ er sich den letzten Bissen servieren und konnte ausgesprochen übellaunig werden, wenn nicht sofort ein großer Napf fettglänzender Hühnerbrühe zur Verfügung stand, sobald er die Augen aufschlug.
Keine Mahlzeit unter 20 Gängen.
Alles mit Schmalz oder reichlich Butter zubereitet.
Mengen, die einen schier erschlagen konnten.
Manchmal hatte Philippine regelrechte Albträume von gebratenen Kapaunen, geschmorten Hirschen und gefüllten Ochsen, die in Reih und Glied über sie hinweg stolzierten und dabei hämisch krähten, muhten oder röhrten, während ihre Knochen dabei wie Zunder brachen. In ihrer Not hatte sie Annas altes Kochbuch aus Augsburger Tagen herausgekramt und den Küchenmeister beschworen, wenigstens ab und zu einen Blick hineinzuwerfen. Doch Felix Tann hatte nur gelacht und es als ›bürgerliches Fastenbücherl‹ abgetan, ganz und gar ungeeignet für eine Hofhaltung, wo doch jeder anständig satt werden sollte. Sie beschloss, es auf eigene Faust weiterzuführen und einige der Rezepte in der kleinen privaten Kuchl ihres Frauengemachs auszuprobieren.
Die Folia setzte ein – und damit Evas große Stunde.
Karl, ihren Gatten, ließ sie links liegen. Ihr ganzes Interesse galt Adam von Sonnegg, einem schlaksigen Blondkopf mit jungenhaftem Lächeln und fragwürdigen Manieren. Ursprünglich aus Böhmen stammend wie sie, hatte er es zunächst verstanden, sich bei Kaiser Maximilian als Höfling beliebt zu machen – bis er Wien von einem Tag auf den anderen verlassen musste, so zumindest lauteten die Gerüchte. Über die wahren Gründe konnte man nur spekulieren,
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