Die schöne Rächerin
Collis entfernt standen. »Mylord, Sir! Ich denke, das sollten Sie sehen!«
Dalton nahm ihm die Papiere ab und sah sie durch. »Abschriften der Ladepapiere und der Passagierlisten? Ja, danke Button. Wir nehmen sie zu den Beweisen.«
Rose wollte sich schon wieder umdrehen, aber Button war noch nicht fertig.
»Nein, Mylord - das da!« Er zog ein Blatt aus dem Stapel und hielt es Dalton unter die Nase. Dalton nahm es und hielt es ein Stück weiter weg. Simon beugte sich mit ihm zusammen über das Schriftstück.
»Was ist das?«, fragte Simon.
Dalton las es genau durch. »Es sieht wie eine spezielle Ablegegenehmigung aus, die dem Schiff erlaubt, vor der ursprünglich geplanten Zeit abzusegeln.« Er sah auf und grinste. »Wadsworth wollte die Auslieferung beschleunigen. Er hat die Ladung sofort nach dem Einbruch verschifft.« Er sah wieder auf das Blatt, suchte es hastig mit den Augen ab. »Oh, zur Hölle, verdammt«, fluchte er und reichte das Schriftstück an Simon weiter.
Rose staunte über Lord Etheridges entsetzten Tonfall, und Sir Simons leises Fluchen war auch nicht ermutigend. »Von Liverpool persönlich unterzeichnet«, sagte Simon langsam.
Rose war fassungslos. Liverpool?
»Sind Sie sicher, dass es Liverpools Unterschrift ist?«, fragte Simon.
Dalton rieb sich den Nacken. »Ich kenne sie wie meine eigene.«
Rose konnte es nicht glauben. Sie persönlich mochte den Premierminister für arrogant und unangenehm halten, aber sie konnte sich den Mann nicht als Verräter vorstellen.
»Was könnte der Sinn von alledem sein?«, fragte sie und ließ Collis stehen.
Dalton warf ihr einen Ziehen-Sie-keine-vorschnellen-Schlüsse-Blick zu, antwortete aber dennoch. »Nun, wir könnten uns vorstellen, dass es sich um ein Komplott handelt, um George zu diskreditieren … aber die Einzigen, die davon profitieren würden, wenn man George aus dem Verkehr zöge, wären jene Regierungsmitglieder, denen er hinderlich ist …«
Nun, das ergab Sinn. »Hält Lord Liverpool ihn denn für hinderlich?«
Dalton warf Simon einen unergründlichen Blick zu, aber Rose erinnerte sich, dass der Premierminister im Arbeitszimmer deutliche Zweifel an Georges Geisteszustand geäu ßert hatte. Dalton schien in eine ähnliche Richtung zu denken.
»Falls Liverpool versuchen sollte, George für wahnsinnig erklären zu lassen«, dachte Dalton laut nach, »dann wäre diese kapriziöse Art der Menschenverachtung genau das Richtige, um den Fall zu gewinnen.«
Rose schüttelte den Kopf. »Aber Lord Liverpool ist der Krone gegenüber doch von fanatischer Loyalität, oder nicht?«
Die beiden Männer wechselten wieder einen dieser Blicke. Was dachten sie? Sie konnten Lord Liverpool doch nicht wirklich in Verdacht haben, oder?
»Fanatisch … ja«, sagte Dalton leise. »Das trifft es präzise.«
»Wir haben uns schon gefragt, wann er zu weit gehen würde«, sagte Simon, als wolle er Dalton an etwas erinnern, das sie kürzlich diskutiert hatten.
»In der Tat.« Daltons Miene war grimmig und, wie Rose entsetzt feststellte, ziemlich überzeugt.
Nein. Ihr Verstand raste. Da musste noch etwas sein. Was hatte Lord Etheridge gerade gesagt? » … die Einzigen, die davon profitieren würden, wenn man George aus dem Verkehr zöge, wären jene Regierungsmitglieder, denen er hinderlich ist …« Doch wer hätte vom Sturz des mächtigsten, meisterlichsten Premierministers profitiert, den England je gesehen hatte?
Napoleon natürlich.
Rose spürte, dass hier die teuflische Hand Louis Wadsworths am Werke war. Das war es doch, was er immer wieder tat, die Menschen verwirren, bis sie am eigenen Verstand zweifelten!
Roses nächsten Worte waren von Selbstbewusstsein durchdrungen. »Mylord, die Unterschrift ist eine Fälschung. Dies alles ist Teil von Louis Wadsworths Vorhaben, England seines Premierministers zu berauben.«
Collis hielt sich gedankenverloren den verletzten Arm. Bilder schossen durch seinen Kopf. Sein Arm war jetzt tatsächlich tot und würde ihm am Leibe verrotten. Er hatte gesehen, wie der Wundbrand gesunde starke Männer dahinraffte und sie zu faulenden Leichnamen machte, während sie noch atmeten.
Er kam sich verloren vor, haltlos. Er drehte sich um und suchte mit verzweifeltem Blick das Schiff ab. Er brauchte Rose.
Da war sie, diskutierte mit Dalton und Simon. Selbst dieser erstaunliche Anblick konnte ihn nicht von seinem atemlosen Entsetzen ablenken. Rose. Er ging auf sie zu, wie eine Kompassnadel sich nach Norden richtete.
Ihre
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