Die Schoene und der Milliardaer
und lehnte sich wieder zurück. Sie sollte ungestört weitersprechen.
Doch sie sprach nicht weiter. Endlos lange Minuten nicht. Verschwiegen wie ein Grab kam sie ihm vor. Holt hielt es nicht länger aus.
âSonya, meine Eltern möchten dich kennenlernenâ, erinnerte er sie leise. âSie möchten dir Fragen stellen. Findest du nicht auch, dass du ihnen ein paar Antworten schuldest? Marcus war der Bruder meines Vaters, meine Mutter die beste Freundin von Lucy. Marcus hat um deine Hand angehalten und dir einen Verlobungsring geschenkt.â
Ihre grünen Augen wurden dunkel. âIch habe doch versucht, ihn zurückzugeben.â
âWo ist er überhaupt?â, fiel ihm plötzlich ein zu fragen. âSo eine Kostbarkeit muss man hüten.â
âKostbarkeit?â Sie sprang auf, als hätte sie etwas gestochen. âSoll ich dir eine echte Kostbarkeit zeigen?â Fast drohend funkelte sie ihn an.
âJa, zeig sie mir.â Holt fragte sich, was dieses Theater nun wieder bedeutete.
âDann warte einen Moment.â Sie ging davon.
Nach einer Weile kam sie zurück und trug etwas wie ein Baby im Arm. Es sah aus wie ein Kasten. Mit dunkelgrünem Leder bezogen und Goldprägung darauf. âDu darfst hineinschauenâ, sagte sie fast atemlos und überreichte ihm beinahe ehrfürchtig den Gegenstand.
Der Kasten war unerwartet schwer und strömte einen eigentümlichen Geruch aus. Eine Mischung aus Muff und Weihrauch. Holt war auf einmal feierlich zumute, als er über das alte Leder strich. Was sollte er damit anfangen?
Als er aufsah, entdeckte er Tränen in Sonyas Augen. Sofort stellte er den geheimnisvollen Kasten auf die Erde und griff nach ihrer Hand. âWas soll ich nur tun?â, fragte er hilflos.
âMach ihn aufâ, befahl sie.
Er wollte gehorchen, obwohl sich etwas in ihm sträubte. Oder sträubte sich der Kasten gegen ihn? Jedenfalls kribbelten seine Hände, als er ihn wieder an sich nahm. War er denn befugt ihn zu öffnen?
âWas ist da drin, Sonya?â
âEtwas, das ich hüte wie meinen Augapfelâ, sagte sie gequält.
Er spürte, dass sie Hilfe brauchte. Er wollte alles in seiner Macht Stehende tun, um sie zu beschützen. âSonya, bist du in ⦠Not?â
Mit einem Mal lächelte sie und setzte sich zu ihm auf die Sessellehne. âIch habe nicht gestohlen.â
Er stieà erleichtert den Atem aus. âDem Himmel sei Dank.â
Der Deckel des Kastens lieà sich in der Mitte öffnen. Vorsichtig klappte er erst den einen, dann den anderen Flügel auf. Es war ihm, als öffnete er einen kleinen Altar-Schrein, in dessen Mitte etwas Kostbares lag.
Doch auf das, was er sah, war er nicht vorbereitet. Durch nichts, das seine verwöhnten Augen jemals gesehen hatten. âO Gottâ, stieà er hervor. âIst sie echt?â In dem Kasten lag eine sehr alte und wertvolle, wenn nicht gar unschätzbare Statue, die die Madonna darstellte.
âJaâ, sagte Sonya und lehnte sich an seine Schulter.
Holt war sprachlos. Die Kopfbedeckung der Muttergottes, ihr Gewand waren mit Edelsteinen besetzt. Mit Diamanten, Rubinen, Saphiren, Smaragden. Der Heiligenschein über ihrem Haupt war aus Blattgold, ihre Krone steckte voller strahlender Diamanten. Aber das Kind im Arm der Mutter Maria fehlte. Das schöne Gesicht der Madonna drückte Trauer aus.
âSo etwas habe ich noch nie gesehenâ, sagte Holt nach einer Weile. âBist du sicher, dass sie von keinem Museum vermisst wird? Hat sie jemand entwendet, der dir nahesteht?â Wie war sie zu diesem Kunstwerk gekommen?
Stolz hob Sonya das Kinn. âSie ist nicht gestohlen. Sie befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz meiner Familie. Sie war das Einzige, das meine GroÃmutter 1945 aus Ungarn vor der Roten Armee retten konnte.â Ihre Stimme brach, sie schluchzte auf, fing sich aber sofort wieder.
âBitte erzähl mir mehr über die Geschichte deiner GroÃmutter. Sie ist bestimmt wichtig.â
Sonya setzte sich auf das Sofa. âNiemand kennt mein Geheimnis. Nun teile ich es mit dir.â Sie sprach, als redete sie in Trance. âMeine GroÃmutter, die Mutter meiner Mutter, war Katalin Ondrassy-von-Neumann. Bevor mein UrgroÃvater, der Graf, und meine UrgroÃmutter vor Kriegsende aus dem Schloss verschleppt wurden, hatten sie einem langjährigen Angestellten ihre Tochter anvertraut,
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