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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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vorbeikommen.«
    »Ganz wie Sie wollen.« Ihre Worte waren ein gemurmeltes à part. Die größte Sorge ihres Lebens bestand in ein paar widerspenstigen Haarsträhnen, die sie sich vor dem Aufzugspiegel aus dem Gesicht strich. Ihre Wangen glänzten, ihre Augen sprühten – nie war sie ihm so schön, so exquisit, so begehrenswert erschienen.
    Voller Selbstverachtung trottete er im Korridor des zehnten Stocks in unterwürfigem Abstand hinter ihr her; blieb im Wohnzimmer sitzen, während sie verschwand, um ihre Pelze abzulegen. Etwas war schiefgegangen – in seinen [148] Augen hatte er ein Quentchen Würde verloren; bei einer unvorhergesehenen, jedoch entscheidenden Feindberührung war er rundum besiegt worden.
    Als sie wieder ins Wohnzimmer trat, hatte er sich jedoch zu seiner ausgeklügelten Genugtuung vor sich selbst gerechtfertigt. Immerhin hatte er das Zwingendste getan, dachte er. Er hatte mit ihr hinaufgehen wollen, er war mit ihr hinaufgegangen. Was indessen später am Nachmittag geschah, ließ sich auf die Demütigung zurückführen, die er im Fahrstuhl erlitten hatte; das Mädchen setzte ihm unerträglich zu, so sehr, dass er, als sie wiederkam, unwillkürlich in Krittelei abglitt.
    »Wer ist dieser Bloeckman, Gloria?«
    »Ein Geschäftsfreund meines Vaters.«
    »Ein seltsamer Kauz!«
    »Er mag Sie auch nicht«, sagte sie mit einem plötzlichen Lächeln.
    Anthony lachte.
    »Ich fühle mich von seiner Aufmerksamkeit geschmeichelt. Offenbar hält er mich für einen…« Er unterbrach sich mit einem »Ist er in Sie verliebt?«
    »Weiß ich doch nicht.«
    »Von wegen, Sie wissen es nicht«, behauptete er. »Natürlich ist er in Sie verliebt. Ich weiß noch, wie er mich angesehen hat, als wir zum Tisch zurückkamen. Wahrscheinlich hätte er mich in aller Ruhe von einem Trupp Komparsen zusammenschlagen lassen, wenn Sie sich nicht den Anruf ausgedacht hätten.«
    »Er hat sich nichts daraus gemacht. Hinterher habe ich ihm erzählt, was sich wirklich abgespielt hat.«
    [149] »Sie haben es ihm erzählt?!«
    »Er hat mich danach gefragt.«
    »Das gefällt mir aber überhaupt nicht«, sagte er tadelnd.
    Sie lachte wieder. »Ach nein?«
    »Was geht ihn das an?«
    »Nichts. Deswegen habe ich es ihm erzählt.«
    Anthony, in Aufruhr versetzt, biss sich wütend auf die Lippen.
    »Weshalb sollte ich lügen?«, fragte sie ihn geradeheraus. »Ich schäme mich doch nicht für das, was ich tue. Es hat ihn nun mal interessiert, zu erfahren, ob ich Sie geküsst habe, und ich war gerade gut bei Laune, und so habe ich seine Neugier mit einem schlichten und präzisen ›Ja‹ gestillt. Da er, auf seine Weise, ein recht vernünftiger Mann ist, hat er das Thema fallenlassen.«
    »Und nur gesagt, dass er mich hasst.«
    »Ach, das ärgert Sie? Nun, wenn Sie dieser hochnotpeinlichen Angelegenheit unbedingt auf den Grund gehen wollen – er hat nicht gesagt, dass er Sie hasst. Ich weiß es einfach.«
    »Nicht, dass es mich ärg…«
    »Ach, lassen wir das doch!«, rief sie lebhaft. »Für mich ist das Ganze völlig uninteressant.«
    Mit ungeheurer Anstrengung machte Anthony seine Ergebung zum neuen Gesprächsgegenstand, und sie ließen sich auf ein altes Frage-und-Antwort-Spiel ein, das sich mit ihrer jeweiligen Vergangenheit befasste, und als sie die uralten, unvordenklichen Gemeinsamkeiten ihrer Vorlieben und Auffassungen entdeckten, erwärmten sie sich allmählich. Sie sprachen Dinge aus, die mehr verrieten, als sie [150] beabsichtigten – doch taten beide so, als nähmen sie die Worte des anderen für bare Münze.
    So wächst Vertrautheit. Erst präsentiert man sich von seiner besten Seite, und das glänzende Endprodukt wird mit Freimut, Unwahrheit und Humor garniert. Dann verlangt der andere nach mehr Einzelheiten, und man malt ein zweites Porträt und ein drittes – binnen kurzem sind die besten Linien gelöscht –, und endlich ist das Geheimnis gelüftet; die Bildebenen haben sich vermengt und uns preisgegeben, und mögen wir auch immerfort malen, es will uns nicht mehr gelingen, ein Bild zu verkaufen. Wir müssen uns mit der Hoffnung zufriedengeben, dass die alberne Seite, von der wir uns unseren Frauen, Kindern und Geschäftspartnern zeigen, als die wahre akzeptiert wird.
    »Mir scheint«, sagte Anthony ernst, »dass sich ein Mann ohne Bedürfnis oder Ehrgeiz in einer unglücklichen Lage befindet. Weiß der Himmel, Selbstmitleid ist etwas Klägliches – aber manchmal beneide ich Dick.«
    Ihr Schweigen ermutigte ihn. Nie war

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