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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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ist, dreht er den Stock, betrachtet ihn von allen Seiten, und dann, ganz plötzlich, wirft er ihn im hohen Bogen in das Gebüsch aus Ginster und Dornen, das sich vor ihm ausbreitet.
    Was ihm zu schaffen macht, ist, dass ihm niemand glaubt. Nicht einmal seine eigene Frau glaubt ihm, dass es kein Schlaganfall war. Das merke man manchmal selbst gar nicht, sagt sie. Man glaube, man sei bloß ausgerutscht oder über etwas gestolpert, aber in Wirklichkeit war es ein Schlaganfall. Sein hoher Blutdruck, die anhaltende Lähmung im rechten Bein. Er solle doch froh sein, dass er jetzt seine Ruhe habe.
    Du glaubst mir also nicht? Du glaubst auch, dass ich spinne?
    Natürlich glaube ich dir, sagt sie dann. Aber es kann doch sein, dass du nur deswegen ausgerutscht bist, weil du einen Augenblick lang nicht bei Sinnen warst. Die Ärzte kennen sich mit solchen Dingen aus.
    Immer wenn sie an diesen Punkt kommen, verweist er auf den Arzt, der ihn gleich nach dem Unfall im Krankenhaus untersucht hat. Wenn der nichts von einem Schlaganfall erwähnte, wenn der ihn gleich wieder laufen ließ, warum sollte es dann einer gewesen sein?
    Und wenn sie sich geirrt haben … Warum ist das jetzt noch so wichtig? Ändern können wir daran sowieso nichts mehr.
    Sie haben sich nicht geirrt, sagt er. Sie haben mich hintergangen, alle, der Betriebsarzt, der Gutachter, Werner und seine Kumpel im Betriebsrat und die Unternehmensleitung. Sie wollten mich loswerden. Und ich Idiot glaubte, dass Werner mein Freund ist.
    Manchmal, in ruhigen Momenten, denkt Egon Markmann selbst, dass ihm das inzwischen egal sein sollte, dass ihm überhaupt alles egal sein sollte, was mit dem Unfall und der Stahlbau zu tun hat, und dass seine Frau recht hat, wenn sie sagt, er solle die Sache einfach vergessen und nach vorn schauen. Manchmal wacht er morgens auf und ist fest entschlossen, das alles abzuschütteln, sich nicht länger mit nutzlosen Grübeleien das Leben einzuschwärzen. Dann hört Edith ihn unter der Dusche singen, oder er geht pfeifend durchs Haus. Und wenn er ihr dann auch noch beim Frühstück ganz aufgekratzt irgendetwas aus der Zeitung vorliest – Hör mal zu! Das ist doch interessant! –, dann ist sie gerührt, gerührt und alarmiert zugleich, weil sie weiß, dass er unter sich selber leidet, dass er sich Mühe gibt, abzuschütteln, was er doch nicht so einfach abschütteln kann.
    Auch darum geht Egon Markmann in die Lohheide, um das alles loszuwerden, diese ewig hämmernden Gedanken, diese brütende Wut. Aber er hat keine Macht über seine Gedanken, sie hocken in seinem Kopf, hässliche Dämonen, lauernd, jederzeit sprungbereit. Alles kann Anlass, Auslöser sein für Wutausbrüche oder nachtschwarze Traurigkeit. Der Klatschmohn dort vor ihm, eine einzelne rot lodernde Blüte auf einem hauchdünnen Stängel. Ganz plötzlich überfällt ihn das Gefühl einer überwältigenden Nähe, als öffne sich ihm eine verwandte Seele. Wie eine Wunde, denkt er, und es fehlte nicht viel und Tränen liefen ihm die Wangen hinunter, so reißt ihm der Anblick das Herz entzwei.

14
    AM DONNERSTAGNACHMITTAG muss Robert nicht arbeiten. Dafür hat er am Samstag den ganzen Tag Dienst. Als er kurz nach eins nach Haus kommt, fängt ihn die Mutter an der Tür ab.
    Die Polizei war hier, flüstert sie. Sie spricht leise, damit es der Vater nicht hört, aber vor Aufregung ist ihre Stimme lauter, als sie es beabsichtigt. Was ist los, sagt sie. Papa hat sich furchtbar aufgeregt.
    Wo ist er jetzt?, fragt Robert.
    Papa? Er hat sich hingelegt.
    Aber in diesem Moment geht die Tür zum Wohnzimmer auf, und der Vater erscheint hinten im Flur.
    Was hast du mit der Polizei zu tun, brüllt er.
    Nichts, sagt Robert.
    Und warum kommen die hierher und fragen nach dir?
    Keine Ahnung.
    Die Mutter steht zwischen Vater und Sohn. Am liebsten möchte der Vater jetzt den Sohn am Kragen packen und die Wahrheit aus ihm herausschütteln. Aber dazu müsste er an der Mutter vorbei, und das ist nicht so einfach in dem engen Flur.
    Ich will wissen, was du mit der Polizei zu tun hast!
    Wenn du was ausgefressen hast, dann sag es doch, sagt die Mutter.
    Sie steht neben der Kommode, wo der Flur am engsten ist, der Vater hinter ihr.
    Ich hab nichts … ausgefressen.
    Und warum war die Polizei dann hier, brüllt der Vater.
    Keine Ahnung, sagt Robert. Muss ein Irrtum sein.
    Später, als er in seinem Zimmer ist, nimmt er sein Handy und ruft Andy an.
    Die Polizei war hier, flüstert er. Sie wollen nachher wiederkommen.

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