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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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Was soll ich machen?
    Reg dich nicht auf, sagt Andy. Du sagst, was wir ausgemacht haben: dass du zu Fuß vom Schock nach Haus gegangen bist. Alles andere überlass nur mir!
    Und wenn die Frau mit dem Fahrrad uns wiedererkennt?
    Wie denn? Wir sind doch gar nicht nah genug gewesen. Die kann uns gar nicht richtig gesehen haben.
    Den ganzen Nachmittag sitzt Robert in seinem Zimmer und wartet darauf, dass die Polizisten wiederkommen. Ein paarmal greift er zum Handy, um Tom anzurufen, aber jedes Mal steckt er es unverrichteter Dinge wieder ein. Als der Kleinbus kommt, um die Mutter abzuholen, ist die Polizei immer noch nicht da gewesen.
    Ich fahr noch mal in die Stadt, ruft Robert in Richtung Wohnzimmertür und ist schon auf dem Weg nach draußen. Aber der Vater kommt hinterher, stürzt fast, so schnell humpelt er die Eingangsstufen hinunter, und packt ihn, bevor er sein Fahrrad aus dem Schuppen holen kann.
    Du bleibst hier, bis die Polizei da gewesen ist.
    Robert reißt sich los. Mit einem kräftigen Ruck hat er den Griff des Vaters abgeschüttelt. Hoppla! Der wehrt sich! Man sieht es dem Vater an, wie überrascht er ist. Wie der vor ihm steht! Dieser wilde Blick, das Kinn erhoben, das Gesicht kalkweiß. Fordert den Vater heraus! Ein, zwei Sekunden vielleicht, dann ist es vorbei. Robert zuckt zurück, erschrocken über sich selbst, über die Gewalt, die in ihm steckt, die jeden Augenblick aus ihm hervorbrechen kann. Sie stehen sich gegenüber, Robert ratlos, den Mund halb offen, der Vater, schwer atmend, mit rotem Kopf, breitbeinig, als versuche er mühsam, das Gleichgewicht zu halten. Eine festgefahrene Partie. Da geht nichts mehr, nicht vor und nicht zurück. Am besten, einer stößt gegen das Brett und wirft die Figuren um.
    Schließlich geht Robert am Vater vorbei ins Haus, schlägt die Tür zu seinem Zimmer zu, wirft sich aufs Bett. Diese würgende Wut. Ist es Wut? Weiße Blitze zucken durch seinen Kopf. Er setzt die Kopfhörer auf, die Musik aus dem Gettoblaster überschwemmt ihn, die Bässe wie Peitschenschläge, zerhacken seine Gedanken. How long shall they kill our prophets , singt Bob Marley. Weg will er, raus aus diesem Haus. Er wird sich vom Vater nicht länger demütigen, von der Mutter nicht länger erpressen lassen. None but ourselves can free our mind. Nie mehr wird er zulassen, dass der Vater ihn schlägt. Nie mehr. Lange liegt er regungslos auf seinem Bett, die Augen offen, ins Leere starrend, aber erfüllt von Hass und Aufruhr.
    Es wird sechs, Robert hat die Kopfhörer abgenommen, hört, wie der Vater mit schwerem Tritt in den Keller geht, wieder heraufkommt, drüben im Wohnzimmer eine Bierflasche öffnet und den Fernseher anstellt. Sie werden nicht mehr kommen, denkt er, heute nicht. Er könnte sich davonschleichen. Wenn der Fernseher an ist, hört ihn der Vater nicht. Dennoch zögert er. Als es schon zu dämmern beginnt, klingelt sein Handy. Es ist Tom: Es gibt was zu besprechen. Jetzt gleich, am Treffpunkt im Bunsenpark.
    Was los ist, will Robert wissen.
    Na, du weißt schon, sagt Tom. Wegen dem Unfall.
    Tom sitzt auf einer Bank gleich am Eingang des Parks und schaut Robert entgegen, wie er mit dem Fahrrad angefahren kommt. Ohne ein Wort zu sagen, zieht er den Zeitungsartikel aus der Tasche. Robert nimmt ihn, liest: Fahrerflucht. Ecke Weidendamm/Röntgenstraße, steht da, sei in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eine Zeitungsausträgerin von einem Auto angefahren worden. Der Fahrer des Autos habe Fahrerflucht begangen. Die Frau liege mit einem komplizierten Beckenbruch im Krankenhaus. Die Polizei bitte die Bevölkerung um Hinweise auf den flüchtigen Fahrer des Pkw.
    Bei mir zu Haus war heute die Polizei, sagt Robert.
    Bei mir auch, sagt Tom.
    Und was hast du gesagt?
    Dass Andy und ich am Dienstag vom Schock direkt nach Haus gefahren sind. Und du?
    Ich war nicht da. Sie wollen wiederkommen, haben sie gesagt.
    Das Böse ist etwas Dunkles, Drohendes, das um uns herum immer anwesend ist, das plötzlich und ohne Vorwarnung über uns herfällt, eine übermächtige, betäubende Gewalt. Man kann ihm eine Zeit lang aus dem Weg gehen, sich ganz davor schützen kann man nicht. Am besten ist es, man macht sich klein, um nicht aufzufallen, um möglichst unsichtbar zu sein. Und wenn es trotzdem über einen hereinbricht, muss man es über sich ergehen lassen und warten, bis es vorbei ist. Bisher hat Robert sich das Böse immer als etwas ihm Äußerliches vorgestellt und sich selbst als sein mögliches Opfer. So

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