Die Schokoladendiät
– darunter übrigens auch mit einem von meinen Angebeteten –, dann verheilt diese Wunde nicht so schnell.
Chantal und Ted leben noch immer getrennt, haben aber beschlossen, Weihnachten gemeinsam zu verbringen. Ein gutes Zeichen, oder? Und da soll ich das fünfte Rad am Wagen sein? Kommt überhaupt nicht in Frage.
«Triffst du dich über Weihnachten mit Addison?», fragt Nadia Autumn.
Autumn bejaht, aber auf eine so geistesabwesende Weise, dass wir beschließen, das Thema nicht weiter zu verfolgen.
Addison ist Autumns neuer Freund, und beide sind total verliebt ineinander. Gott sei Dank, denn Autumn hatte seit Ewigkeiten schon keinen Freund mehr. Sie ist einfach zu sehr damit beschäftigt, Gutes zu tun, um noch Zeit für Männer zu haben. Es ist schön zu sehen, dass Autumn endlich einmal etwas für sich selbst tut, statt sich immer nur um ihren drogendealenden Bruder und ihre drogensüchtigen Klienten im KICK-I T-Suchtzentrum zu kümmern, für das sie arbeitet.
Ihr Bruder Richard ist derzeit noch in einer Entzugsklinik in Kalifornien oder Arizona oder Nevada – irgend so ein amerikanischer Bundesstaat, der auf a endet auf jeden Fall –, wobei man sagen muss, dass er sich eher dorthin geflüchtet hat, um einer Bande von Gangstern zu entkommen, als aus der Einsicht, dass seine Drogensucht ein Problem ist.
«Wie geht es Richard?», frage ich.
«Ganz okay.» Autumn zuckt die Schultern. «Er schreibt nur gelegentlich mal eine E-Mail . Anscheinend ist in der Klinik seine Zeit am PC begrenzt.»
Das kommt mir sehr vernünftig vor. Hab ich doch selbst die Erfahrung gemacht, in welche Schwierigkeiten einen Computer bringen, wenn man sich erst einmal auf sie einlässt. Ich beiße die Zähne zusammen, um nicht gleich wieder loszuheulen.
«Er kommt nicht heim?», piepse ich.
«Nein», antwortet sie. «Meine Eltern haben glücklicherweise wieder einmal die Spendierhosen an. Ich denke, solange sie seinen Aufenthalt finanzieren, bleibt er, wo er ist.»
«Ich hab richtig Angst vor Weihnachten», mischt Nadiasich ein. «Dieses verdammte Fest ist ein einziger Graus, allein wenn man an die ganzen Ausgaben denkt.»
Nadia ist eine ausgesprochen hübsche Britin orientalischer Abstammung, und ich an ihrer Stelle würde einfach meinen kulturellen Hintergrund vorschieben – oder mir notfalls irgendwas dergleichen ausdenken –, um mir Weihnachten vom Hals zu halten. Irgendeinen Vorteil muss doch jeder haben, oder?
«Früher als Kind mochte ich Weihnachten schrecklich gerne.» Sie schüttelt den Kopf. «Aber heute geht es nur noch um Konsum. Warum um Himmels willen machen wir das überhaupt?»
Nadia und ihr Mann Toby haben sich ebenfalls vor kurzem getrennt. Will man es mal positiv betrachten, bin ich hier zumindest nicht die Einzige mit einem kaputten Liebesleben, und es gäbe auch ohne meinen Beitrag genug Gesprächsstoff in dieser Runde.
Toby hatte eine schwere Internet-Spielsucht entwickelt und war auf dem besten Wege, die Familie zu ruinieren. Nadia und er stecken tief in der Schuldenfalle. Aber inzwischen soll Toby clean sein – oder wie nennt man das bei einem Spielsüchtigen? Nadias finanzielles Schlamassel bedeutet, dass wir anderen Mitglieder des Schokoclubs ihre Rechnung im Chocolate Heaven mit übernehmen, ein geringer Preis dafür, dass unsere Freundin unsere Zufluchtsstätte weiter aufsuchen kann. Zumal Nadia von uns allen am wenigsten Schokolade isst, sodass ihre Rechnung immer relativ bescheiden ausfällt.
«Toby und ich werden um Lewis’ willen an Weihnachten einen auf heile Familie machen», fährt Nadia fort. «Was für eine Farce. Ich wünschte, es gäbe dieses ganze Festtagstheater gar nicht.»
Weihnachten ist vermutlich ein großartiges Fest, wenn man eine glücklich strahlende Persönlichkeit ganz ohne Sorgen ist. Für uns andere aber erscheint uns an diesem Tag unser beschissenes kleines Leben im denkbar scheußlichsten Licht.
«Verdammt!», sage ich. «Wenn wir so weitermachen, schneiden wir uns noch alle vor Heiligabend die Pulsadern auf. So schlimm kann es doch gar nicht sein.»
Chantal und Nadia starren mich an. Selbst Autumn guckt komisch.
«Denkt doch an die ganze Schokolade», dränge ich sie. «Die Weihnachtseditionen und Schokochristbaumanhänger. Adventskalender mit Schokoladenfüllung. Wie könnte man diesen Tag besser beginnen?» Jetzt bin ich in Fahrt. «Galaxy-Riesenriegel. Toblerone-Megapackungen.» Bei dieser Aussicht weiten sich die Augen meiner Freundinnen
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