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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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Jazz-Stilrichtungen
     (Hard Bop, Cool Jazz, Fusion |93| Jazz). Von all dem verstand er wenig, genug aber, um sich heillos zu verlieben.
    Doch wie misslaunig begriff er bald, während er sich bei aller Aufregung nur sporadisch in das Gespräch einschaltete, zumeist
     mit einer bemüht witzigen Anmerkung zum kurz vorher Gesagten, dass Christian und Kirsten sich länger in die Augen blickten
     als zur harmlosen Konversation unbedingt notwendig war, ja, dass sogar vermeintlich zufällige Körperberührungen stattfanden.
     Da wurde, da jemandem eine Anekdote eingefallen war, schon mal mit der Hand nach der gegenüberliegenden Schulter gegriffen
     usw. Einen arbeitsreichen nächsten Morgen vorschützend, verabschiedete sich Sebastian mit unterdrückter Enttäuschung und trat
     hinaus in die Frühlingsnacht.
    Zufällig trifft er Kirsten wieder. Beim Bäcker, zwei Wochen später, es ist gegen Mittag. Durch allerlei hässliche Prahlereien
     von Christian weiß Sebastian, dass die beiden sich ab und an treffen. Eine noch ungeklärte Liaison hat begonnen. Ungeklärt,
     da Christian eine Freundin hat und nun ein wenig, scheinbar leidend, zwischen den beiden Frauen hin- und herschwankt, ohne
     dass eine von der Existenz der jeweiligen Nebenbuhlerin etwas ahnt.
    Ob sie Lust hätte, einen Kaffee zu trinken, fragt er Kirsten. Sie lächelt und entblößt ihren etwas zu kurz geratenen Schneidezahn:
     »Warum nicht!«
    Im Café, in dem sie, abgesehen von einer älteren Frau, die Selbstgespräche führt, die einzigen Gäste sind, wagt er, sie, einem
     guten alten Freund gleich, zu warnen. Er tastet sich äußerst umständlich voran, aber dann steht der Verrat nackt |94| im Raum: Christian habe seit Jahren schon eine feste Beziehung. Er hätte, ergänzte Sebastian rasch, ihr das eigentlich nicht
     erzählen wollen, aber irgendwie, na ja, finde er es nicht richtig, dass sie, Kirsten, gewissermaßen aus reinem Vergnügen und
     ohne rechte Ernsthaftigkeit derart benutzt werde.
    Ach, wer würde daran zweifeln, dass Sebastian mit dieser Offenbarung sich eigentlich recht geschickt verhalten hat! Eine moralische
     Entrüstung gemimt, sie sehr vorsichtig, unter allerlei Windungen vorgebracht, was daher durchaus authentisch wirkte. Doch
     konnte er nicht ahnen, dass Kirsten selbst, und zwar seit langer Zeit schon, in einer nur mäßig glücklichen Beziehung sich
     befindet (mit einem ziemlich aufgeräumten Anwalt) und daher nur laut auflacht, schnell bezahlt und, einen arbeitsreichen Nachmittag
     vorschützend, das Café verlässt, nicht ohne sich mit einem ausgesprochen spöttischen Blick, in dem auch Mitleid aufscheint,
     noch von Sebastian zu verabschieden.
    Wer sich moralisch zu entrüsten beabsichtigt, merke sich daher: immer Recherchen anstellen, bevor man ethische Bedenken äußert.
     Um herauszufinden, ob diese Waffe beim Empfänger etwas taugt. Denn Menschen gibt es durchaus, die, wie es sich gehört, derart
     verschlagen sind, dass sie moralischen Entrüstungen mit größtem Misstrauen nur begegnen. Denn durch moralische Entrüstung
     hat sich noch jede Niedertracht begründen lassen: die Inquisition, der Wohlfahrtsausschuss, das auf der Folterbank herausgepresste
     Geständnis. Zumeist verdeckt moralische Entrüstung, dass sie einem anderen Interesse folgt, als sie vorgibt.

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    |95| 16 ZUM RECHTEN ZEITPUNKT DAS FEST VERLASSEN
    E in großes Vorurteil, Alkohol betreffend, ist die Behauptung, dessen Konsum trübe die Erkenntnisfähigkeit. Wer so etwas behauptet,
     hat selten in Unmaßen sich alkoholischen Getränken hingegeben, kaum je Partys fürchterlich schwankenden Ganges verlassen,
     niemals auf fremder Leute Sofagarnitur eine entfernte Bekannte unter lebhaften Zungenküssen betastet.
    Nein, das Gegenteil ist wahr, Alkohol, in großen Mengen genossen, trübt keineswegs die Erkenntnis, er schärft sie bisweilen
     auf unangenehme Weise. Es lebt sich stets verblendeter im nüchternen Zustand, weshalb das Trinken auch so ein gefährliches
     Laster ist, da es Gemütsstimmungen ans Licht bringt, die vormals nur als leises Ahnen in einem schlummerten.
    Wie viele Lieben sind zugrunde gegangen, da einer Frau erst während eines rauschenden Fests die betrübliche Beschaffenheit
     ihrer Beziehung klar vor Augen lag! Anja zum Beispiel. Sie hat sich natürlich auch in nüchternem Zustand über so manche Unaufmerksamkeit
     ihres Freundes Timo geärgert, der nur um sich selbst zu kreisen scheint, seitdem er überraschend Erfolg hat mit

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