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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Harris? Sind Sie in Ordnung?”
    Sie beugte sich über ihn. Erleichtert hörte sie seinen schnellen Atem, doch er war gleichmäßig. Doch ehe sie wusste, wie ihr geschah, umfasste Harris sie mit seinem gesunden Arm und zog sie zu sich hinab. Sie wehrte sich nicht, denn seine Wunde hätte erneut aufbrechen können. Zumindest sagte sie sich das. Seine Lippen glitten liebkosend über ihr Gesicht, bis sie die ihren fanden.
    Das war der erste richtige Kuss von Harris.
    Jenny und Kirstie hatten über dieses wichtige Thema in den letzten Jahren oft gesprochen. Bei den seltenen Gelegenheiten, wo sie wach gelegen hatte, ehe sie in einen erschöpften Schlaf gefallen war, hatte sie sich vorgestellt, von Roderick Douglas geküsst zu werden. Dies hier hatte nichts mit jener galanten, zaghaften Begrüßung zu tun, von der sie träumte. Harris küsste sie tief, unersättlich, so wie ein Mann, der kurz vor dem Verdursten war und nun kühles, erfrischendes Wasser trank.
    Sein Mund schmeckte nach Rum und fühlte sich heiß an. Sein Kuss, sein Arm, den er um sie gelegt hatte, und die seltsame Freude, an seine Brust gedrückt zu werden, weckte in ihrem Körper eigenartige, berauschende Gefühle.
    So unerwartet, wie es begonnen hatte, endete es wieder. Harris entzog seine Lippen den ihren und schob Jenny von sich. Sie wankte, verwirrt und atemlos. Glücklicherweise gelang es ihr, sich auf dem Schemel niederzulassen. Ihr Körper bebte vor dem Aufkeimen einer bis dahin schlummernden Begierde.
    Alles in der Kajüte war ruhig, nur ihr rasches Atmen war zu hören.
    Nach einer Weile begann Harris zu sprechen. Seine Stimme klang rau und verbittert. “Das ist die einzige Belohnung, die ich von Ihnen wollte, Jenny. Ich weiß, Sie hätten sie mir niemals gegeben. Deshalb habe ich sie mir selbst genommen. Ihre Schuld ist nun beglichen. Es ist also nicht nötig, dass Sie noch länger hierbleiben und mich bemitleiden.”
    “Mitleid? Bei all den Gefühlen, die ich in diesem Augenblick für Sie empfinde, Harris Chisholm – und ich kann nicht einmal die Hälfte davon selbst erkennen –, ist kein bisschen Mitleid dabei.”
    “Oh?” Er klang überrascht. “Was empfinden Sie in diesem Augenblick für mich? Die Gefühle, die Sie erkennen, meine ich.”
    “Zorn”, stieß Jenny hervor, “und Entrüstung.”
    “Das ist alles?”, fragte er enttäuscht.
    Nein. Da war mehr, viel mehr, und Jenny sehnte sich danach, es ihm zu sagen. Doch nach diesem Kuss wagte sie es nicht. Gleichgültig, wie heftig ihre Gefühle für Harris Chisholm waren, es machte keinen Unterschied. Sie beabsichtigte, sich mit Roderick Douglas zu vermählen, und nichts sollte ihr dabei im Wege stehen. Es wäre grausam, Harris zu ermutigen, etwas anderes zu denken.
    “Dankbarkeit, natürlich.” Wenigstens so viel gestand sie ihm ein. Sie wäre eine hartherzige kleine Teufelin, wenn sie weniger empfinden würde. Und vielleicht war es auch gar nicht mehr. Ja, und es war ihr eine liebe Gewohnheit geworden, tagaus, tagein in seiner Gesellschaft zu sein. Jenny konnte es beinahe selbst glauben.
    “Dankbarkeit.” Harris seufzte. “Das ist beinahe genauso schlimm wie Mitleid.” Seine Zunge wurde schwer. “So bleiben Sie, wenn Sie nicht gehen wollen. Doch lassen Sie mich in Ruhe, denn ich kann für mein Tun keine Verantwortung übernehmen. Wenn Sie diesem Bett noch einmal zu nahe kommen, küsse ich Sie von Neuem. Und es könnte sein, dass es nicht bei einem Kuss bleibt.”
    Starrköpfig verharrte Jenny auf ihrem Platz. Er wollte ihr nur Angst machen mit seinem Gerede, dessen war sie sich sicher. Indes die Vorstellung, ihn nochmals zu küssen, und von noch vertraulicheren Freiheiten, erhitzte ihre Wangen.
    Ihr Herz schlug im Takt des sich nun leicht auf und nieder bewegenden Schiffes. Offensichtlich war der Südwestwind, den der Kapitän in der morgendlichen Brise gewittert hatte, aufgekommen.
    Die Zeit verstrich. Jenny wusste nicht, wie lange sie dagesessen hatte.
    Der Wind pfiff durch die kleinen Ritzen im Rumpf. Die Balken knirschten, als versuchte sich jeder vom anderen zu lösen. Über Jennys Kopf, an Deck, wurden die Schritte zu einem schweren Rollen. Sie erinnerte sich an die erste Nacht auf der
St. Bride
, als sie zusammengekauert in ihrer Koje gelegen hatte, überzeugt davon, diesen nächtlichen Sturm niemals zu überleben.
    Vielleicht hätte sie es auch nicht getan ohne Harris. Sie entsann sich seiner sanften Berührung. Des beruhigenden Klanges seiner Stimme an ihrem Ohr.

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