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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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letzten Augenblick lief noch ein kleines Stubenmädchen zum Wagen, sie brachte Kláras Handschuhe. »Sie haben sie auf dem Tisch vergessen«, sagte sie.
    Es war das Mädchen, das László am Abend zuvor in den Armen des allmächtigen Butlers gesehen hatte.
    »Welch trauriges Gesicht sie hat, die Arme«, dachte er. Sie fuhren geschwind ab. Als Klára dem Mädchen zurückrief – »danke!« –, ratterten sie schon zum Tor hinaus.
    Zwei dicke Mur-Insulaner, Pferde mit runden Hinterbacken, waren eingespannt, und Péter jagte sie auf den Feldwegen im Galopp, um den Wagen seines Vaters einzuholen. Der Tarantas rüttelte bei dieser rasenden Fahrt gewaltig, und der biegsame Balken, an dem sie sich festhielten, schleuderte sie herum, als ob sie auf einer Schaukel säßen – ein großes Vergnügen, viel Anlass zum Lachen.
    Alles war ohnehin dazu angetan, zu guter Laune zu stimmen. Schönes, frühwinterliches Wetter herrschte mit leichtem Frost bei mattem Sonnenschein. Rauhreif glänzte silbern auf den samten glatten Saaten und den wie Daunen dick gewellten Hügeln, oben unter dem Himmel und unten, wo er zur Erde herabsank. Alles funkelte, als hätte man Glassplitter ausgestreut. Beim Treiben scherzten sie und machten Schabernack. Die Jungen kamen einander beim Schießen immer wieder zuvor, ja sie muteten dieses Spiel sogar Papa Louis zu, was sie bei einer richtigen Jagd niemals gewagt hätten.
    Sie schlossen Wetten ab, wer wie viel Wild mit welcher Anzahl von Patronen erlegen würde, und große Lachsalven erschallten, wenn jemand ein Tier zufällig verfehlte oder ein Nachbar dem anderen mit dem Schuss zuvorkam. Die spielerische Heiterkeit erfasste auch die Mädchen. Sie betätigten sich als Treiber, und es galt als großer Triumph, wenn es ihnen gelang, den einen oder anderen alten, schlauen Hahn mit Händeklatschen oder Tanzschritten und Stampfen aus der Deckung hinauszudrängen. László lachte und scherzte mit den anderen, obwohl seine Augen den Ernst bewahrten. Er lauerte, er wartete darauf, wann er mit Klára allein bleiben und sie fragen, von ihr erfahren könnte, was sich am Abend abgespielt hatte. Gelegenheit dazu fand sich kaum. Das Treiben dauerte stets nur sehr kurz. Man drückte das Wild aus einzelnen, von Sträuchern dicht bewachsenen Stellen hinaus, die Schützen begleiteten die Treiber an den Flanken oder gingen voraus, bogen auf engen Pfaden vor ihnen ein und befanden sich so ständig in Bewegung. László versuchte einige Male, als Letzter mit Klára auf einem Waldweg zurückzubleiben und sie bei sich zu halten, aber er hatte auch damit keinen Erfolg. Als ob das Mädchen absichtlich danach getrachtet hätte, ihm auszuweichen und die Zweisamkeit zu meiden. Oh, ja! Er glaubte nun mit Gewissheit, dass sie ihn mied. Leiser Spott schien in ihren Augen zu glänzen jedes Mal, wenn László sie unter einem Vorwand von den anderen weglocken wollte. Ihm tat es sehr, sehr weh.
    So ging das den ganzen Nachmittag, und die Eifersucht nagte immer heftiger an der Seele des jungen Mannes, seine Besorgnis wurde immer schmerzlicher. Zuletzt schritt er beinahe schon stumm hinter Klára her. Das Rascheln der vertrockneten kleinen Akazienblätter unter seinen Füßen, dieser an das Knistern von Papier gemahnende Laut allein begleitete seine düsteren Gedanken, und er hörte kaum, wenn jemand ihn ansprach. Aus der Nähe wie aus der Ferne behielt er sie allein im Auge; doch ob er sich an Klára oder an Magda wandte, hatte er doch so viel Selbstbeherrschung, dass seine Miene nichts verriet und seine Worte zwanglos und verwandtschaftlich sachlich blieben, sosehr er auch unter der qualvollen Ungewissheit litt. Auch nach der Heimkehr bei der Jause schaffte er es nie, sich mit Klára abzusondern und Licht zu bringen in die Frage, die in seinem Inneren schrie.

    Onkel Louis und Niki verabschiedeten sich von Fürstin Ágnes und dem Ehepaar Kanizsay im Marmorsalon. Klára, Péter und Magda begleiteten die Abreisenden in die Vorhalle, zum riesigen Mercedes, der vor dem Eingang wartete. László, der sich ihnen drinnen noch angeschlossen hatte, blieb in der Bibliothek zurück. Wozu sie begleiten? Wer war er denn, dass er den Herren des Hauses das Geleit geben sollte? Was hatte er mit all dem zu schaffen? Er sei, sagte er sich, doch nur ein Gast, ein »Gast zweiter Klasse«, den man eingeladen hatte, damit die Jagdbeute reicher ausfalle. Damit sich die Strecke besser ausnehme. Jawohl! Auch Péter hatte sich darauf berufen, die Einladung so

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