Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Süden zuckte wie Quecksilber in den Wolken.
Joe Zeroski hatte gefragt, wie viele Menschen in unserer Gegend zu einem Verbrechen fähig waren, wie man es an seiner Tochter und Amanda Boudreau verübt hatte. Könnte Tee Bobby etwas mit der Entführung von Linda Zeroski zu tun gehabt haben? Tee Bobbys Großmutter hatte gesagt, die Schwierigkeiten, in denen er derzeit steckte, hätten vor seiner Geburt begonnen. Vielleicht war es an der Zeit, dass ich herausfand, was sie damit gemeint hatte.
Ich fuhr heim, parkte den Pickup in der Auffahrt und ging in den Köderladen. Batist war allein und aß am Tresen ein Sandwich.
»Wie gut kennst du Tee Bobby?«, fragte ich.
»So gut, dass ich ihn nicht weiter kennen will«, antwortete er.
»Glaubst du, er könnte ein junges Mädchen vergewaltigen und ermorden?«
»Was ich glaub, zählt nicht.«
»Was weißt du über Ladice Hulins Beziehung zur Familie LaSalle?«
Er trank seinen Kaffee aus und starrte durch den Fliegendraht hinaus auf den Bayou, wo sich die Brassen an den Nachtfaltern gütlich taten, die an den Strahlern verglühten und ins Wasser fielen.
»Geschichten über weiße Männer und schwarze Feldarbeiterinnen nehmen nie ein gutes Ende, Dave. Wenn du sie hören willst – meine Schwester is mit Ladice groß geworden«, sagte er.
Ich sagte meiner Frau Bootsie Bescheid, dass ich später zu Abend essen würde, und fuhr mit Batist zu dem kleinen Haus seiner Schwester in der Nähe von Lorreauville, wo ich mir eine Geschichte anhörte, die mich in das Louisiana meiner Kindheit zurückversetzte.
Aber noch bevor Batists Schwester mit ihrem Bericht begann, wusste ich bereits vieles über die Geschichte der Familie LaSalle, nicht unbedingt, weil ich sie bewunderte oder interessant fand, sondern weil ihr Leben ein Spiegelbild und Maßstab unseres eigenen geworden war. Auf die eine oder andere Art hatte die Stadt Anteil an allen ihren Taten gehabt, an all den Wendungen und Wirren, zum Guten wie zum Schlechten, die ihnen das Schicksal beschied, angefangen mit dem Bau der ersten Hütten, die aus gefällten und zurechtgehauenen Zypressenstämmen an den Ufern des Bayou Teche errichtet worden waren, über den Einmarsch der Bundestruppen im Jahr 1863 und die Wiederherstellung der alten Pflanzeroligarchie durch die White League und die Knights of the White Camellia hinweg, bis in die Neuzeit, als man bewusst dafür sorgte, dass Cajuns und Farbige arm und ungebildet blieben, um sicherzustellen, dass jederzeit ein riesiges Angebot an leicht lenkbaren Arbeitskräften zur Verfügung stand.
Die LaSalles hatten geglaubt, sie könnten im kolonialen Louisiana all die hochfliegenden Träume verwirklichen, die durch Robespierres Guillotine, der einige Angehörige der Familie zum Opfer fielen, zunichte gemacht worden waren. Doch bald schon mussten sie erfahren, dass für das revolutionäre Frankreich die Rechnung, die es ihnen und ihresgleichen für die jahrhundertelange Arroganz des alten Adels präsentierte, noch nicht ganz beglichen war. Vielmehr waren sie diejenigen, die sich Napoleon als Opfer seiner größten und erfolgreichsten Hochstapelei auserkoren hatte. Sie bezahlten viel Geld, um von seiner Regierung Landrechte in Louisiana zu erwerben, nur um im Jahr 1803 feststellen zu müssen, dass Napoleon die Ländereien buchstäblich unter ihren Füßen weg an die Amerikaner verkauft hatte, um seine Kriege zu finanzieren.
Aber die LaSalles waren ein zäher Haufen, der sich weder von einem korsischen Emporkömmling noch von ihren neuen, von der Freiheit und Gleichheit eines Christenmenschen überzeugten Nachbarn unterkriegen ließen. Sie kauften Sklaven, die James Bowie und sein Geschäftspartner Jean Lafitte nach dem Einfuhrverbot von 1809 aus der Karibik nach Louisiana schmuggelten. Sie legten Sümpfe trocken und rodeten Wälder, bauten später auf Knüppeldämmen Straßen und Schienen für die Dampfmaschinen durch das vom Delta des Mississippi angeschwemmte Ackerland, das so schwarz und fruchtbar war, dass alles darauf wuchs, wenn man nur ein Saatkorn auf die Erde warf und es kurz festtrat.
Wie seine Vorfahren war auch Julian LaSalle ein praktisch veranlagter Mensch, der nicht mit Gott oder der Welt haderte. Möglicherweise beruhte der Reichtum seiner Familie darauf, dass sich Sklavenarbeiter für sie den Rücken krumm geschuftet hatten, aber das hatte dem Geist der Zeit entsprochen, und er hatte deswegen keinerlei Gewissensbisse. Er zahlte seinen Feldarbeitern einen nach allgemeiner
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