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Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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auf seiner Hose aus.
    Ich wurde festgenommen, bevor ich vom Parkplatz fahren konnte. Mein Hemd war hinten von oben bis unten aufgerissen, als ich zehn Minuten später in Handschellen ins Gefängnis des Bezirks St. Martin geleitet und in die Ausnüchterungszelle gesteckt wurde. Meine Haut fühlte sich wie taub an, die Muskeln waren schlaff, als hätte ich eine zweitägige Sauftour hinter mir. Die Stimmen der anderen Häftlinge drangen kaum zu mir durch, waren wie durch einen Wattebausch gedämpft, obwohl mich ein paar anscheinend kannten und direkt ansprachen. Vor meinem inneren Auge sah ich einen Obdachlosen, unter seinem Kreuz gebeugt, der gelben Zeltrolle mit all seinen Habseligkeiten, und mir wurde klar, dass für uns alle, die wir dort gewesen waren, der Krieg nie vorbei sein würde, dass aber der wahre Feind nicht Jimmy Sty war, sondern ein brutales Wesen, das morgens mit mir aufstand, heimlich in mir hauste und auf den passenden Moment wartete, um all seine Wut auf die Welt auszutoben.

17
    Als der Sheriff von Iberia im Gefängnis eintraf, dachte ich, er wollte mich herausholen. Stattdessen ließ er mich in eine leere Arrestzelle bringen, einen Raum mit einem mitten in den Zementboden eingelassenen Abflussloch und einem rostigen, mit Urinspuren befleckten Gitter, dazu allerlei Graffiti, weiblichen Brüsten und männlichen Geschlechtsteilen, die mit Feuerzeugen an die Decke gebrannt waren. Ich setzte mich auf eine Holzpritsche, während der Sheriff auf einem Stuhl auf der anderen Seite der Gitterstäbe Platz nahm, durch die er mich mit wütendem und zutiefst enttäuschtem Blick musterte. Mir war schwindlig, und meine geschwollenen Hände fühlten sich dick wie eine Grapefruit an, als ich sie ballen wollte.
    »Wollten Sie ihn umbringen?«, fragte der Sheriff.
    »Möglicherweise.«
    »Alle, die in der Bar waren, sagen, dass Sie nicht provoziert wurden. Sie sagen, Styles saß lediglich auf einem Hocker, als Sie durchgedreht und über ihn hergefallen sind.«
    »Die Bar gehört ihm. Der Großteil der Leute, die drin waren, sind seine Spezis. Ich bin ein Cop. Was sollen sie denn sonst sagen?«
    »Man wirft Ihnen schwere Körperverletzung vor.«
    »Danke für die Mitteilung«, sagte ich.
    »Wollen Sie einfach hier rumsitzen und den Klugscheißer markieren?«
    »Styles ist ein Stinkstiefel. Dem hätte schon längst mal jemand die Gräten polieren sollen«, sagte ich.
    Er erhob sich von seinem Stuhl, setzte seinen Stetson auf und starrte im Lichtschein, der durch ein hohes Fenster auf seinen Kopf fiel, auf mich herab.
    »Soll ich Ihre Frau anrufen, oder schaffen Sie das selber?«, fragte er.
    »Wissen Sie, Sie könnten schon etwas für mich tun. Ich hätte gern eine Packung Kaugummi aus dem Automaten draußen im Flur. Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar«, erwiderte ich.
    Zwanzig Minuten lang saß ich da und horchte auf die Geräusche, die in jedem Gefängnis zum Alltag gehören: das Scheppern der Stahltüren, die rauschende Toilettenspülung, Kapos, die ihre Wascheimer durch den Korridor schleifen, Marielitos, die einander auf Spanisch anbrüllen, ein plärrender Fernseher, in dem ein Stockcar-Rennen läuft, ein drei Zentner schwerer Biker mit Haaren wie eine Löwenmähne, stinkend und in Ketten geschlagen, der der Meinung ist, dass die Cops, die ihn festgenommen haben, ihr Geld erst mal verdienen müssen, wenn sie ihn in eine Zelle verfrachten wollen.
    Ich zog mein zerrissenes Hemd aus und rollte es zu einem Kissen zusammen, legte mich auf die Holzpritsche und schlug den Arm über die Augen. Dann hörte ich wieder Schritte auf dem Korridor und in meiner Dummheit, die allen Säufern gemeinsam ist, dachte ich, der Sheriff, mein Freund, würde zurückkehren, um die Sache zu bereinigen.
    Aber der Sheriff kehrte nicht zurück, und niemand holte mich aus der Arrestzelle oder ließ auch nur eine Andeutung fallen, wann ich dem Richter vorgeführt werden würde.
    Das Bedrückende an einem Gefängnisaufenthalt ist weniger das Tohuwabohu und die Lärmkulisse, die einem rund um die Uhr in den Ohren hallt. Viel mehr macht einem zu schaffen, dass man jeden Bezug zur Außenwelt verliert und die Zeit stehen bleibt, wenn die Zellentür hinter einem zugeschlagen wird.
    Man kann nicht mehr über sich selbst bestimmen. Man muss sich einer Leibesvisitation durch einen gelangweilten Wärter unterziehen, der sich Latexhandschuhe überstreift, bevor er einem die Hinterbacken auseinander zieht. Dann werden einem die Fingerabdrücke genommen,

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