Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
»Beraterin« immer wieder Gefälligkeiten zu erweisen. Jetzt verstand er es. An ihr haftete der Geruch des Todes und er fand ihre ausgeprägte Boshaftigkeit zugleich beängstigend und erregend. Außerdem war er sich im Klaren darüber, dass der sogenannte Wein, den sie trank, aus einem Weinberg ganz anderer Art stammte.
»Ich verstehe es und fühle mich geehrt, für diesen Auftrag ausgewählt worden zu sein.« Während Dorothea ausgesucht haben mochte, wer die Aufgabe übernehmen sollte, war schnell klar geworden, dass der Auftrag an sich von der anderen Frau stammte. Diesen Umstand würde er gewiss nicht vergessen.
»Wird er denn nicht stutzen, wenn ausgerechnet du ihm den Wortlaut der Abmachung überbringst?«, meinte Dorothea, indem sie seinen rechten Arm mit einem Blick streifte. »Er verabscheut dich zutiefst.«
Greer bedachte Dorothea mit einem einschmeichelnden Lächeln, bevor er seine gesamte Aufmerksamkeit der Dunklen Priesterin zuwandte. Aha. Die Hohepriesterin von Hayll hatte also nicht einmal bestimmt, wer den Auftrag ausführen sollte. »Umso genauer wird er mir zuhören – besonders, wenn ich mich alles andere als erfreut zeige, ihm einen derart großzügigen Vorschlag unterbreiten zu müssen. Sollte er lügen, was sein Wissen betrifft, ist es außerdem wahrscheinlich, dass es mir auffällt. Eher als den Gesandten, die« – mit einer Geste tiefster Aufrichtigkeit legte er sich die Linke auf die Brust – »obgleich höchst qualifiziert, was ihre sonstigen Aufgaben betrifft, leider nur sehr ungern mit Sadi zu tun haben, außer in den oberflächlichsten Angelegenheiten.«
»Du hast keine Angst vor Sadi?«, wollte die Dunkle Priesterin wissen.
Ihre mädchenhafte Stimme ärgerte Greer, weil sie nicht zu dem absichtlich verborgen gehaltenen Gesicht oder ihrer Stellung passen wollte. Doch egal. Heute Abend hatte er endlich begriffen, wer Hayll wirklich kontrollierte. »Ich habe keine Angst vor Sadi«, erwiderte er lächelnd, »und es wird mir ein großes Vergnügen sein zuzusehen, wie er sich die Hände am Blut eines Kindes schmutzig macht.« Ein sehr großes Vergnügen.
»Wunderbar. Wann kannst du aufbrechen?«
»Morgen. Ich werde mir gestatten, gemächlich zu reisen, sodass ich niemandem auffalle. Während ich dort bin, packe ich die Gelegenheit beim Schopfe und sehe mich in dem hübschen kleinen Städtchen um. Wer weiß, worauf ich dort stoßen mag, was euch von Nutzen sein könnte.«
»Kartane ist in Beldon Mor«, meinte Dorothea und schenkte sich Wein nach. »Ohne Zweifel wird er dir einige Vorarbeit sparen können. Setz dich mit ihm in Verbindung, während du dort bist.«
Greer schenkte ihr ein weiteres falsches Lächeln, verbeugte sich vor beiden und zog sich zurück.
»Du scheinst mit der Wahl nicht zufrieden zu sein, Schwester«, sagte Hekatah, nachdem sie ihr Glas geleert hatte und sich zum Gehen erhob.
Dorothea zuckte die Schultern. »Er war deine Wahl. Vergiss das nur nicht, wenn etwas schief gehen sollte.« Sie blickte nicht auf, als Hekatah die Hände hob und die Kapuze zurückschob.
»Sieh mich an«, zischte Hekatah. »Denk daran, was ich bin.« Es überraschte Dorothea immer wieder aufs Neue, dass sich die Dämonentoten äußerlich nicht von den Lebenden unterschieden. Der einzige Unterschied lag in dem leichten Modergeruch, der ihnen anhaftete. »Ich denke immer daran, was du bist«, sagte Dorothea mit einem Lächeln.
In Hekatahs Augen loderte der Zorn, doch Dorothea hielt ihrem Blick stand. »Und du solltest daran denken, wem Sadi gehört und dass es meine Großzügigkeit und mein Einfluss auf Prythian sind, die dir deinen kleinen Rachefeldzug überhaupt erst ermöglichen.«
Hekatah zog sich wieder die Kapuze über das Gesicht und machte eine hektische Handbewegung. Krachend öffnete sich die Tür, wobei sich der Messingknauf in die steinerne Wand bohrte. Mit einem wütenden Zischen war Hekatah verschwunden.
Dorothea goss sich erneut Wein ein. Greers leicht spöttisches Lächeln und sein veränderter Blick, nachdem er die Dunkle Priesterin getroffen hatte, waren ihr nicht entgangen. Doch wer war sie schon? Ein Haufen Knochen, der es nicht einmal fertig brachte, zu Staub zu zerfallen. Eine Blutsaugerin. Eine intrigante kleine Harpyie, die sich noch immer an einem Mann rächen wollte, dem Terreille gleichgültig war. Völlig gleichgültig. Sie wusste nicht, ob sie die Geschichte von dem Kind, in das der Priester vernarrt war, tatsächlich glauben sollte. Und wenn schon?
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