Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
Einen langen Moment trafen sich die Blicke der beiden Frauen. Dann erregte etwas auf der Straße Roxies Aufmerksamkeit, und sie eilte davon.
Auf dem Weg zur Ladentheke bemühte sich Marian um ein ruhiges Auftreten.
»Hast du alles gefunden, was du brauchst?«, erkundigte sich der Händler.
»Ja, vielen Dank.« Marian gab sich Mühe, nicht ins Stottern zu geraten. Sie schluckte hart. »Prinz Yaslana hat mir gesagt, ich solle die Haushaltswaren auf sein Konto setzen lassen.«
»So, so.« Er blickte abgelenkt zur Tür, da gerade jemand das Geschäft betrat.
Warum nur war sie in diesen Teil des Dorfes gegangen? Warum hatte sie sich nicht an die Läden gehalten, in denen sie sich zu Hause fühlte? Warum …
»Was ist das alles?«
Auf einmal stand Jaenelle neben ihr und betrachtete das Geschirr mit einem Glitzern in den Augen, das geradezu Furcht einflößend war.
»Lady Angelline«, sagte Marian.
Jaenelle lächelte. »Du hast Lucivar endlich klar gemacht, dass er kein Abendessen mehr bekommt, bis du die nötigen Gerätschaften zum Kochen hast, nicht wahr?«
»Nicht ganz«, murmelte Marian.
»Du bist Lady Marian?«, wollte der Ladenbesitzer wissen.
»Ja.« Im Grunde sollte es sie vielleicht nicht überraschen, dass er ihren Namen gehört hatte. Schließlich waren Lucivar und sie die einzigen Eyrier, die in der Nähe von Riada lebten.
»Bist du sicher, dass du alles hast?«, fragte Jaenelle.
»Ja. Ich dachte erst …«
Doch Jaenelle hielt bereits auf den Teil des Ladens zu, wo sich die Haushaltswaren befanden. Da Marian sich noch allzu gut an ihren letzten gemeinsamen Einkauf erinnern konnte, stürzte sie ihr hinterher.
»Die große Käsereibe brauche ich nicht«, sagte sie ein paar Minuten später. Sie bemühte sich, nicht völlig verzweifelt zu klingen. Anders als beim Kauf von Lucivars Möbeln war es diesmal keine Frage des Geschmacks. Jaenelle war lediglich nicht von dem Gedanken abzubringen, dass Marian am besten alles in doppelter Ausführung kaufen sollte.
»Warum nicht?«, fragte Jaenelle. »Du hast bloß die kleine.«
»Ich brauche nur die kleine. Wirklich.« Sie nahm Jaenelle die Reibe aus der Hand und legte sie ins Regal zurück.
Da sie Jaenelle ohnehin nicht aufhalten konnte, versuchte sie lediglich, deren Energien in andere Bahnen zu lenken. Von daher war es nicht wirklich ihre Schuld, dass sie noch mehr Schüsseln … und Gläser … und Silbergeschirr … und ein Eckregal kauften, dessen praktischer Nutzen ihr schleierhaft war. Allerdings war Jaenelle der festen Meinung, dass es sich gut in der Küche machen würde.
Ganz benommen von der schieren Masse an Waren sah sie zu, wie der Händler den Betrag zusammenrechnete. Sie fragte sich, für wie viele Jahre im Voraus sie mit diesem Einkauf den Zehnten aufgebraucht hatte.
Dann wandte sich der Händler dem kleineren Warenhaufen auf der Theke zu.
»Nein«, meinte Marian. »Die Sachen gehen nicht auf Prinz Yaslanas Rechnung. Das sind meine eigenen Einkäufe.«
Während er ihre Artikel addierte, rief sie ihren Geldbeutel herbei, den sie sich neulich gekauft hatte. Den Großteil ihres Lohns hatte sie hinten in der Schublade mit ihrer Unterwäsche
versteckt. In dem Geldbeutel befand sich lediglich das Geld, über das sie frei verfügen konnte. Sie öffnete ihn und kramte in den Kupfermünzen herum. Dann war der Händler mit seiner Rechnung fertig.
Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. Es reichte nicht. Sie war nicht ins Dorf gekommen, um für sich selbst einkaufen zu gehen. Also hatte sie den Inhalt ihres Geldbeutels nicht überprüft, bevor sie den Horst verlassen hatte. Und sie hatte nicht damit gerechnet, diesen wunderbar weichen Stoff zu finden, aus dem sie Lucivar ein Gewand nähen wollte, um es ihm zu Winsol zu schenken. Den Stoff konnte sie gerade noch bezahlen, aber …
Mit einem wehmütigen Blick auf die beiden Bücher, die sie ausgesucht hatte, räusperte sie sich. »Es tut mir Leid. Ich habe nicht genug Geld bei mir.«
»Vielleicht würde die Lady gerne ein Konto eröffnen?«, schlug der Ladenbesitzer vor.
Entgeistert starrte sie ihn an. Weshalb sollte er einer Haushälterin ein Konto gestatten, wenn er sich geweigert hatte, eines für Roxie zu eröffnen, die einer Adelsfamilie entstammte?
»Das ist praktisch«, sagte Jaenelle.
Damit war die Angelegenheit erledigt - zumindest, was Jaenelle und den Händler anging.
»Danke schön«, sagte Marian, nachdem sie die säuberlich geschriebene Liste durchgesehen und ihre Initialen neben
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