Die schwarzen Wasser von San Marco
Schultern, zerquetschte Daumen – bei den meisten brauchte es nicht einmal so viel, damit sie verstanden, dass die Fragen des Rates wichtig waren.«
»Folterknechte«, krächzte Barberro.
»Was glaubst du«, sagte Calendar freundlich und noch immer mit dem Mund an Barberros Ohr, »was die Kerle alles gebeichtet haben. Nicht mal du hättest dir die Strafe ausdenken können, die sie für ihre Taten verdient haben. Wenn ich richtig darüber nachdenke – nein, dir wäre doch etwas Passendes eingefallen.«
Abrupt verschwand Calendars Gesicht aus dem Fensterrahmen; er hatte Barberro losgelassen. Der Sklavenhändler wälzte sich herum und streckte den Kopf nach draußen. Er hustete und würgte und rang pfeifend nach Luft. Sein Gesicht war wutverzerrt. Ich duckte mich so weit in den Schatten des Schiffsrumpfes, wie das Tau und mein wackliges Podest es erlaubten. Eine der Wachen schien etwas gehört zu haben und rief nach unten; Barberro bellte aufgebracht zurück, und der Mann wandte seine Aufmerksamkeit wieder etwas anderem zu. Barberro räusperte sich und spuckte einen zornigen Batzen Schleim ins Wasser, während er sich dabei das Genick massierte. Offenbar schien er keine Lust darauf zu haben, sich wieder ins Innere der Kajüte zu wenden, solange Calendar hinter ihm stand.
»Einer der Piraten wusste ein interessantes Detail. Es handelte von einem Vergnügungsschiff, einem bestimmten Jungen darauf, einem Überfall, einer Entführung und einem lukrativen Geschäft.«
»Hol mich der Teufel, wenn ich weiß, wovon du sprichst.«
»Der Teufel wetzt schon sein Messer für dich. Es hieß, der Geschäftspartner bei diesem Handel seist du gewesen.«
»Lächerlich.«
Barberro stieß sich vom Rahmen des Fensters ab und drehte sich um, um Calendar wieder Auge in Auge gegenüberzustehen. Ich hörte das dumpfe Geräusch eines Schlages, und Barberros Gesicht erschien abermals im Fenster. Seine Hand schoss nach oben und presste sich auf seine Nase.
»Ah, verdammt!«, rief Barberro dumpf. »Bist du verrückt?«
Calendar riss ihn an den Schultern herum und packte ihn erneut an der Kehle. »Nein, hör auf«, würgte Barberro hervor. »Ist ja schon gut, ich sag dir, was du wissen willst.«
Calendar machte keine Anstalten, seinen Griff zu lockern. Während aus Barberros Nase ein dünnes Rinnsal Blut rann und über die Wange in seinen Nacken lief, brachte Calendar sein Gesicht ganz dicht an das Barberros heran.
»Ich höre«, sagte er im gleichen Tonfall wie ein Kaufmann, dessen Gegenüber ihm einen wenig interessanten Handel vorgeschlagen hat.
»Also gut, ich habe mit den Piraten ein Geschäft gemacht. Sie sandten einen Boten zu mir, in einem Fischerboot, sodass die Idioten in der Festung sie unbemerkt durch den Lido ließen. Sie hatten ein paar Dummköpfe geschnappt und dachten, es wäre was für mich dabei. Ich habe Fulvio mitgeschickt, und er hat ihnen den kleinen Scheißer abgekauft. Die anderen waren nur Kroppzeug.«
»Das Kroppzeug ist heute Nachmittag verkauft worden, soviel ich gehört habe.«
»Einen Dreck ist es. Die beiden Moslemweiber haben sie einem Sarazenenkaufmann übergeben, weil keiner sie haben wollte, und die Hosenscheißer haben die Betbrüder von Madonna dell’Orto übernommen, damit sie jemanden haben, der ihnen den Dreck aus der Latrine schaufelt. Die zwei jungen Rehlein wären interessant gewesen, aber von denen hat Fulvio nichts gesehen, und außerdem hat der ehrenwerte Kommandant der Aquila sie nicht verkauft, sondern für sich behalten. Hoffentlich hat das Schiff, das hinter dem Lido vor Anker liegt, ein vernünftiges Angebot, sonst bin ich bald aus dem Geschäft.«
»Sie haben die Pest auf diesem Schiff. Du bist aus dem Geschäft.«
Barberro fluchte.
»Was ist mit dem Jungen?«, fragte Calendar.
»Was soll schon sein? Ich habe ihn wieder verkauft, solange er noch frisch war.«
»Hier in Venedig?«
»Hör auf, hör auf, du brichst mir den Hals. Nein, in Rom.«
»Willst du mir erzählen, du warst in Rom?«
»Nein, zum Teufel. Fulvio fuhr mit dem Fischerboot zurück, eine verdammte kleine Nussschale, die mehr Löcher im Segel hatte als sein früherer Besitzer Warzen am Arsch. Ich hoffe, die Piraten haben ihn ertränkt, als sie ihm das Ding abnahmen. Fulvio musste mehrmals anlegen. In Ancona befand sich die Kongregation eines rotschwänzigen Kardinals, der auf der Suche nach Kinderarbeitern für die engen Stollen in seinem Bergwerk war. Fulvio hat sofort wieder verkauft, zum doppelten
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