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Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen

Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen

Titel: Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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bedacht wird, oft von Intellektuellen, die biographische Wurzeln in seiner Landschaft haben oder, der städtischen Existenz überdrüssig, von Nietzsches Urrecken schwärmen; Intellektuelle, die Querner heimlich verachtete, obwohl er selbst keineswegs ein Primitiver war, und die es doch, letztlich, waren (und sind), die seine Bilder ausstellten und kauften. Auch das eine Wahrheit. Bauer Rehn, erschütternd die ausgemergelten Züge des alten Mannes. Die Mühsal, ja – doch von der Gewalt und Kälte der Menschen dieses Landstrichs, gewiß auch des Bauern Rehn, finde ich in Querners Bildern kaum etwas. Das steht in den Tagebüchern. »Thematisch begrenzt«. Das muß kein Nachteil sein. Was er gekonnt hat – Hände, wieer sie zu malen verstand, möchte ich von den Heutigen erst einmal sehen. Dorf: Aber in Querners Bildern ist kein Pathos, kein Blut und Boden. Dieser Künstler, dieser Pinsler, Tagedieb, sagten die Bauern und verstanden nicht, warum er sie bei der Arbeit malen wollte und nicht selbst arbeiten, »ihre« Frauen nackt in ihrer Fülle, Schalheit, Kraft, ungeschönt mit den von Plackerei und Geburten hängenden Formen, Beine wie Säulen, ihrem Bauernbarock, »diese Pferdeärsche«, »was will der Farbenkleckser«, »der Perverse«, sagten sie; nachts flogen ihm Steine hinterher. Er malte seine taubstummen Eltern, die knotigen Hände, die Hungergesichter, Leben: Schuften und Prügel, empfangene und ausgeteilte, »sonst gehst du unter«, »willst du abweichen vom rechten Weg, willst du unter die Räder kommen«, Dunkelheit, Not und Kälte, Farben: Grau, Braun, ein wenig Weiß.
    »Schlehdorn in Märzlandschaft, mit Luchberg«, Aquarell – wenn der Krähenwind den Staub über den Feldern worfelte, Regenfahnen gegen das wie eine angerissene Saite brummende Schwarz der Schieferdächer schlugen, die Scheunen zusammenzuckten unter den Gewitterpeitschen, mit denen ein betrunken johlender fliegender Holländer seine Sturmschwadronen über die Ebenen bei Karsdorf jagte: dann zeigte das Land sein unbarmherziges Gesicht; im Spätherbst runzlig vom kahlen Geäst, an das die Abendgeister ihre Eulen hängten, wie die Kopftücher der Bauersfrauen genannt wurden; im Winter bedeckt von Mordlust, Schweigen, Schnee. Querner malt draußen. Manchmal reißt der Sturm ein Blatt weg, verschluckt es wie einen kranken Vogel. Eiskristalle bilden sich auf den Aquarellen. Der schwarze Schlehdorn frißt sich ins Bild, nicht umzubringen, dieser Strunk in der Erdrinde. Zarte Blautöne, Schneeflächen. Kühles, nördliches Gelb, in dem der Luchberg aufgeht wie eine hellgraue Sonne.
    … Quernerland mit seinen Spukgestalten zur Fastnacht, den leuchtenden, vom Großen Gesetz aus der Kindheit gezerrten Kindergesichtern; wo, aber, wäre Heiterkeit, Charme in seinen so einschüchternd »authentischen« Bildern, wo das leichte Licht, das reine Spiel? In seinen Aquarellen, wenn der Frühling kam und die Obstbäume bei Börnchenblühten, die Feldraine an der Quohrener Kipse unter Sonnenfasern zitterten. Bildnis Bronja Schmidt: Dresden als junge Frau gedacht. Dieses Erwartungs-Flimmern in ihren Augen, ist es siegessicher, aus einem grundsätzlichen Argwohn gereift, diese Augen, die auch wissen, daß alles ganz anders kommen kann; die Haltung ist es wohl, die reizt (Erlkönigin, tiefes, lockendes Blau des Kleids), dieser zurückhaltend nach außen gekehrte, von Längslinien Herkunft, Überlieferung, und Querlinien Eigenwillen durchzogene, sichtbar-unsichtbare Wappenschild sächsischer Bürgerwürde, der die Frage kennt nach dem: Was wichtig ist. Manche Bilder geben die Worte frei, sie drängen sich ins Wort, dieses Bild saugt sie ein, es will schweigen. Wie sie lieben kann! Und wehe, wenn sie liebt. Enttäuschung – und was für Hände, Querner hätte gesagt: Pfoten, die packt zu und hält fest; diese Frau ist fähig zu einer Liebe, so groß, daß sie für sich allein zu sein vermag, dem andern sogar den Tod gönnt, damit nichts an dieser Liebe mehr verändert werden kann, nichts sie mehr bestürzt; für immer geborgen vor der Veränderin Zeit. Trete ich ihr zu nahe? Ich fürchte. Wie stolz sie scheint und unnahbar. So hat der Maler sie gemalt, hat sie ganz und in ihrer Ruhe gesehen, deutet vieles nur an. Aushalten, diesen Blick, auch des anderen, der abwesend ist und dich liebt, schöne Fremde, auf die dunkle Weise, indem er dich »so« malt. Was sie weiß, aber für sich behält. Kein Schmuck, die Korblehne des Stuhls nur angeschnitten, Halbprofil,

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