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Die Schwester der Braut

Die Schwester der Braut

Titel: Die Schwester der Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Westphal
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Freundin.
    »Ich glaube, deine Mutter könnte dich da überraschen«, bemerkte Dana.
    Alex sah auf. Die Augen ihres Gegenübers waren keineswegs hoffnungslos, sie zeigten großes Vertrauen – in Mutter und Tochter.
    »Ich weiß nicht. Dad hätte es nicht verstanden. Er und Mom waren sich in so vielen Dingen einig. Ally wird es vermutlich auch nicht verstehen.« Alex seufzte. Sie lehnte sich zurück in die Couch, doch dieses Mal legte sie nicht entspannt ihre Füße auf den Tisch. Ihr Selbstvertrauen war verschwunden.
    Dana sah einen verletzlichen Menschen, der Angst hatte, seine Familie zu verlieren.
    »Dein Vater war ein sehr traditionsbewusster Mann, sehr konservativ. Und auch, wenn deine Mutter ihm nicht vor euch Kindern widersprochen hat, heißt das nicht, dass sie immer mit ihm einer Meinung war, Alex. Mit deiner Schwester könntest du allerdings recht haben.«
    Die jüngere Frau nickte. Sie hatte schon oft darüber nachgedacht, sich vor ihrer Familie zu outen, selbst als ihr Vater noch lebte. Schließlich wusste sie schon seit sie sechzehn war, dass sie Mädchen viel lieber mochte als Jungs. Nicht nur, weil sie bessere Gesellschaft waren, sondern weil sie auch viel besser küssen konnten.
    Sie hatte es nicht getan. Stattdessen hatte sie die Flucht nach vorn gewählt: College, Universität, später der Job bei der Sun . Sie war mit achtzehn ausgezogen und nie zurückgekehrt. Vor allem, weil sie es nicht ertragen konnte, die Eltern zu belügen, wenn die sie nach einem netten jungen Mann fragten, mit dem Alex vielleicht ausging – oder mit dem sie ihrer Meinung nach ausgehen sollte.
    »Du musst es nicht tun, wenn du nicht willst, das weißt du. Obwohl ich froh bin, dass du es mir gesagt hast. Das beweist eine Menge Mut. Ich bin stolz, dass du es mir anvertraut hast«, sagte Dana nach einer ganzen Weile, in der sie geschwiegen hatten.
    »Ich will es tun. Ich bin mir nur nicht sicher, wie und wann. Allys Hochzeit scheint irgendwie ein schlechter Zeitpunkt, was meinen Sie?«
    »Ich meine, du solltest langsam anfangen, mich zu duzen.« Sie lächelten einander an. Die Stimmung war nicht mehr ganz so angespannt.
    Dana hatte recht. Es war ihre Entscheidung. Sie hatte sechzehn Jahre lang geschwiegen. Nun kam es auf ein paar Monate mehr auch nicht an.
    »Es gab eine Zeit, da dachte ich, Joshua wäre schwul«, meinte Dana nach einer kurzen Weile.
    »Er war sehr sensibel.« Alex hatte Danas Sohn nicht gut gekannt, doch es gab eine Erinnerung, die hervorstach. Jetzt dachte sie daran zurück. Sie bemerkte Danas fragenden Blick erst gar nicht. Als sie es tat, sagte sie: »Ich hab ihn natürlich nicht wirklich gut gekannt.«
    »Ich hätte mir gewünscht, dass ihr euch vom Alter näher gewesen wärt. Er hat dich gemocht, aber du warst neun Jahre älter.«
    »Nach meinem ersten Semester am College habe ich ihm einmal geholfen. Er . . . er saß auf dem Spielplatz an der Broad Street. Seine Brille war zerbrochen. Ich glaube, ein paar Jungs aus der Schule haben ihn rumgeschubst, und dabei ist es wohl passiert. Aber er hat gesagt, er hätte sich draufgesetzt. Ich bin damals öfter zu dem Spielplatz gegangen, um eine zu rauchen . . .« Alex hielt inne, als sie Danas verblüfftes Gesicht sah. »Mom weiß nichts davon, also psst.« Sie legte ihren Finger an die Lippen.
    Dana lachte.
    »Nun, Joshua hatte ein paar blaue Flecken, aber ich glaube, geweint hat er wegen der Brille. Ein glatter Bruch, genau in der Mitte.« Alex tippte sich mit dem Finger auf die schmale Stelle am höchsten Punkt der Nase, dort, wo bei Brillenträgern das Mittelstück saß. »Ich hab ihn mit zu uns genommen, niemand war zu Hause. Dort habe ich die Brille mit etwas Tape wieder zusammengeklebt, und wir haben noch eine Cola getrunken. Dann habe ich ihn nach Hause geschickt.«
    »Das bist du also gewesen, das mit der Brille.«
    Alex nickte auf Danas erstauntes Gesicht.
    »Ich erinnere mich daran. Er muss etwa zehn gewesen sein und kam eines Tages mit der geflickten Brille nach Hause. Er sagte, er sei bei einem Freund zum Spielen gewesen, und es wäre ein Unfall gewesen. Ich wollte ihm natürlich eine neue Brille kaufen, aber wir hatten damals nicht wirklich Geld über. Es war ein mageres Jahr für Weihnachtsgeschenke . . .« Dana atmete tief durch ob der Erinnerung. »Doch er wollte gar keine neue Brille haben. Er trug sie, glaube ich, noch fast ein ganzes Jahr. Er fand es völlig okay, mit der geflickten Brille rumzulaufen. Ich hingegen, nun, ich

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