Die Schwester der Braut
beide Gesichter. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder trennten und einander ansahen.
»Wir sollten jetzt nach Hause fahren. Ich bin hundemüde. Bevor du morgen fährst, würde ich gern noch mit dir darüber reden. Okay?«
Alex nickte. Sie hätte gern sofort mit dem Reden angefangen und ihre Mutter gefragt, woher sie es wusste. Andererseits war es fast drei Uhr morgens. Sie hatte die Nacht zuvor kaum geschlafen. Sie hatten eine Hochzeit hinter sich. Außerdem standen sie noch immer auf einem Parkplatz im Nirgendwo, und die Fahrt nach Hause würde noch eine Weile dauern.
Zurück nach Baltimore
A m Ende war es Lauren gewesen, die den Wagen nach Hause gefahren hatte. Alex war zu aufgewühlt gewesen. Ihr ganzer Körper stand unter Strom, während ihr Gehirn sich geweigert hatte, über irgendetwas nachzudenken. Während der Fahrt hatte sie nur blind aus dem Seitenfenster in die Dunkelheit geschaut.
Zu Hause angekommen wünschten sich die beiden nur noch eine Gute Nacht. Lauren hatte ihre Tochter fest umarmt, ehe sie beide in ihren Zimmern verschwunden waren.
Beide hatten geschlafen, zu erschöpft von den Ereignissen und Geständnissen des Vortages. Nach dem Aufstehen hatten sie sich wie selbstverständlich in die Küche begeben, wo sie jetzt beide am Küchentisch über zwei Tassen schwarzen Kaffees lehnten.
Lauren sah ihre Tochter prüfend an.
Alex erwiderte den Blick ihrer Mutter. Sie konnte sehen, wie es hinter ihrer krausgezogenen Stirn arbeitete. Wie ihre Mutter nach Antworten suchte, aber noch nicht bereit war, die Fragen mit Alex zu teilen.
Die jüngere Frau erinnerte sich an einen anderen Morgen, an dem sie so in der Küche gesessen hatten. Es war vor Alex’ High School-Abschluss gewesen. Damals hatte Lauren mit ihr ihre weiteren Pläne besprechen wollen. Alex hatte damals bereits einen festen Vorsatz gehabt. Ihre Mutter dagegen hätte gern gesehen, dass sie sich alle Optionen offenhielt. Am Ende war Alex ihrem Plan gefolgt; das war es, was sie wollte, und sie war noch immer glücklich, es genauso gemacht zu haben, wie sie es sich als Teenager ausgemalt hatte.
Doch dies war ein anderer Morgen, eine andere Situation. Sah ihre Mutter sie heute anders als noch am Morgen zuvor? War sie noch immer bereit, ihre ältere Tochter so zu lieben, wie sie war? So wie sie es am Abend zuvor versprochen hatte?
Alex war dabei, dies herauszufinden. Obwohl sie ihrer Mutter vertrauen wollte, war da ein kleiner Rest Zweifel. Die Angst, die sie seit sechzehn Jahren mit sich herumschleppte, hatte sich am Abend zuvor nicht vollends aufgelöst. Ein Rest von ihr war zurückgeblieben.
Lauren nahm nach einer Weile die Hand ihrer Tochter vom Tisch und drückte sie. »Wie lange weißt du es schon?«, war die erste Frage, die sie Alex stellte.
Ihre Tochter räusperte sich. »Seit ich sechzehn bin.«
Lauren wirkte überrascht. »So lange?«, fragte sie ungläubig.
»Am Anfang dachte ich, dass ich Jungs und Mädchen mag. Allerdings waren meine Dates mit Jungs irgendwie . . . gezwungen und verkrampft. Gott, ich hab’s wirklich gehasst, wenn sie mir ihre Zunge in den Mund stopften und anfingen, an mir rumzutatschen.«
Lauren lachte auf. »Lass es einfach raus, Darling.«
Alex schmunzelte. »Das erste Mal, dass ich wirklich etwas empfand und so richtig verstand, worum es beim Küssen ging, war mit Lanie Thomas.« Sie machte eine Pause, während ihre Mutter sich zu erinnern versuchte, wer das gewesen war.
»Ihr habt Basketball zusammen gespielt. Sie war noch ein Stück größer als du. Ihr . . . ihr habt viel Zeit zusammen in deinem Zimmer verbracht . . . allein, unbeaufsichtigt . . . Himmel, wenn ich das gewusst hätte!«
Jetzt lachte Alex. »Nun, wir waren eher froh über deine Ahnungslosigkeit. Ihre Mutter war nämlich wesentlich aufmerksamer, wenn es darum ging, wie viel Zeit ihre burschikose Tochter mit ihren Freundinnen in ihrem Zimmer verbrachte. Nicht, dass es keine Ausweichmöglichkeiten gegeben hätte.«
Lauren starrte Alex ungläubig an. »Du genießt es, mich zu schockieren, oder? Nach all diesen Jahren?«
»Du sollst bloß nicht glauben, ich hätte in meinem Zimmer gesessen und gefürchtet, ihr könntet es herausfinden. Ich habe ein bisschen experimentiert, auch wenn ich erst auf dem College das erste Mal Sex hatte.«
Lauren nickte. Darüber hatten sie und Alex gesprochen. Alex war nach dem ersten Semester bedrückt nach Hause gekommen, hatte kaum etwas gesagt, kaum etwas gegessen. Es war
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