Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
das Schlachten des Viehs zu kümmern. Ich dachte an ihn, wie er auf seinem kleinen Gut umherging, die Dinge in Ordnung brachte, sich mit der Wirklichkeit beschäftigte, während ich hier, in Klatsch und Tratsch verstrickt, bei Hof mein Leben fristete, wo alles sich nur um das Vergnügen zweier untätiger, selbstsüchtiger Menschen drehte.
    |457| Während der zwölftägigen Weihnachtsfeiern kam Anne und fragte mich, woran eine Frau erkennen könnte, daß sie empfangen habe. Wir zählten die Tage ihrer Monatsregel, die in dieser Woche fällig gewesen wäre. Sie behauptete, bereits morgendliche Übelkeit zu verspüren und kein fettes Fleisch mehr zu vertragen, aber ich meinte, dazu sei es noch zu früh.
    Der Tag, an dem ihre Monatsblutung hätte einsetzen sollen, kam, und abends steckte sie den Kopf in mein Zimmer und triumphierte: »Alles sauber! Heißt das, ich bekomme ein Kind?«
    »Ein Tag, das beweist noch gar nichts«, erwiderte ich unfreundlich. »Du mußt mindestens einen Monat warten.«
    Der nächste Tag verstrich, und noch einer. Henry sagte sie nichts davon, aber ich denke, er konnte wohl ebensogut zählen wie wir. Sie begannen sich beide zu verhalten wie Seiltänzer auf einem Jahrmarkt, die ganz vorsichtig balancieren. Er wagte es nicht, sie selbst zu fragen, aber bei mir erkundigte er sich, ob Annes Regel ausgeblieben wäre.
    »Nur ein, zwei Wochen, Majestät«, antwortete ich respektvoll.
    »Soll ich eine Hebamme kommen lassen?« fragte er.
    »Noch nicht«, riet ich ihm. »Besser, Ihr wartet bis zum zweiten Monat.«
    Er schaute besorgt drein. »Ich sollte nicht mehr bei ihr liegen.«
    »Seid einfach nur sehr sanft mit ihr«, schlug ich vor.
    Er runzelte ängstlich die Stirn, und ich überlegte, daß ihre Sehnsucht nach diesem Kind schon jetzt jedem Beischlaf alle Freude nehmen würde, ehe sie noch verheiratet waren.
    Im Januar war Annes Regel einen ganzen Monat ausgeblieben, und sie erzählte dem König, es könnte sein, daß sie sein Kind unter dem Herzen trug.
    Er war rührend anzusehen. Der Gedanke an eine Schwangerschaft war für ihn über die Maßen wunderbar. Die beiden saßen still beieinander, schienen einander fremd. Sie hatten sich leidenschaftlich gestritten, sich leidenschaftlich geliebt, nun wollten sie Freunde werden. Anne wollte sich ausruhen, |458| sie lebte in der ständigen Furcht, etwas zu tun, das den geheimnisvollen Vorgang stören könnte, der in ihrem Körper ablief. Henry wollte nur neben ihr sitzen, als könnte seine Gegenwart fortführen, was er begonnen hatte. Er wollte sie in den Armen halten, ihr jede Anstrengung ersparen.
    Er hatte schon zu viele Schwangerschaften miterlebt, die in Angst und Schrecken endeten. Er hatte die Geburt mehrerer Kinder gefeiert, doch der Tod hatte sie ihm wieder geraubt. Nun meinte er, Annes scheinbar mühelose Fruchtbarkeit spräche ihn von allem frei. Gott hatte ihn mit einem Fluch belegt, weil er die Frau seines Bruders geheiratet hatte, und jetzt nahm Gott diesen Fluch wieder von ihm, indem er seine zukünftige Frau (seine erste Frau, wie sein anpassungsfähiges Gewissen ihm einflüsterte) so fruchtbar machte, daß sie schon empfangen hatte, nachdem sie nur wenige Monate bei ihm gelegen hatte. Er behandelte sie mit ungeheurer Zärtlichkeit und Respekt, und er peitschte ein neues Gesetz durch, das ihnen die Heirat ermöglichte, nach neuem englischem Gesetz in der neuen englischen Kirche.
    Die Hochzeit fand beinahe im geheimen statt – in Whitehall, Annes Londoner Haus, dem Heim ihres verstorbenen Gegners Kardinal Wolsey. Die Trauzeugen des Königs waren seine Freunde Henry Norris und Thomas Heneage. George und ich hatten den Auftrag, den Anschein entstehen zu lassen, daß Anne und der König in seinem Privatgemach speisten. Wir bestellten das allerbeste Essen für vier Personen und ließen es uns im Gemach des Königs servieren. Der Hofstaat, der beobachtete, wie große Schüsseln hinein- und herausgetragen wurden, schloß daraus, daß der König und die Boleyns gemeinsam dinierten. Es war mir eine schäbige Genugtuung, auf Annes Stuhl zu sitzen und von ihrem Teller zu essen, während sie den König von England heiratete. Ich schlüpfte sogar in ihren schwarzseidenen Morgenmantel. Und George beteuerte mir, daß er mir sehr gut zu Gesicht stünde.

|459| Frühling 1533
    Einige Monate später war die Angelegenheit erledigt. Anne, ständig demonstrativ eine Hand auf dem schwellenden Leib, wurde zur offiziellen Gemahlin des Königs erklärt, und zwar

Weitere Kostenlose Bücher