Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
nur weiter. Was würden alle denken? Was denkst auch du und versuchst, es nicht zu sagen?«
    »Daß ihre Seele von irgendeiner Sünde befleckt sein muß, daß sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben muß oder sonst Hexenkünste benutzt hat«, meinte er ruhig. »Schimpf nicht, Mary. Das würdest du auch sagen. Vielleicht könnte sie zur Beichte gehen, auf eine Wallfahrt oder sonstwie ihr Gewissen erleichtern? Ich weiß es nicht, wie kann ich |569| auch? Ich
will
es nicht einmal wissen. Aber sie muß doch etwas wirklich Schlimmes getan haben, nicht?«
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging langsam fort. William holte mich ein. »Du mußt dich doch fragen …«
    Ich schüttelte den Kopf. »Niemals«, sagte ich entschlossen. »Ich weiß nicht die Hälfte der Dinge, die sie getan hat, um Königin zu werden. Ich habe keine Vorstellung davon, was sie alles anstellen würde, um einen Sohn zu empfangen. Ich weiß es nicht, will es auch nicht wissen.«
    Wir gingen einen Augenblick schweigend nebeneinanderher. William betrachtete mich von der Seite. »Wenn sie niemals einen Sohn bekommt, behält sie deinen für immer«, erklärte er, weil er ahnte, wo ich mit meinen Gedanken war.
    »Das weiß ich«, flüsterte ich in stillem Schmerz. Und hielt das Kind auf meinem Arm noch ein wenig fester.
     
    Noch in dieser Woche sollte sich der Hof auf die Staatsreise begeben. Sobald alle fort waren, durfte ich zu meinen Kindern. In der Aufregung und dem Aufruhr des Packens und Planens bewegte ich mich überaus vorsichtig, weil ich fürchtete, ich könnte mit irgend etwas wieder den Zorn der Königin auf mich ziehen.
    Das Glück war mir hold. Annes Laune blieb gut. William und ich winkten der königlichen Gesellschaft zum Abschied nach, als sie nach Süden zog. Anne war herrlich in Gold und Weiß gekleidet, Henry an ihrer Seite machte immer noch eine großartige Figur als König, besonders auf einem kräftig gebauten Jagdpferd. Anne ritt so nah bei ihm wie damals in jenen Sommern vor nur zwei, drei Jahren, als er völlig vernarrt in sie war.
    Immer noch vermochte sie seine Aufmerksamkeit zu erregen, ihn zum Lachen zu bringen. Immer noch konnte sie den Hof anführen, als sei sie ein junges Mädchen, das an einem Sommertag zum reinen Vergnügen ausreitet. Niemand wußte, was es Anne kostete, auszureiten und für den König zu glänzen und den Menschen am Wegesrand zuzuwinken, die sie mit bitterer Neugier, aber nicht mit Liebe anstarrten. Niemand würde es je erfahren.
    |570| William und ich standen winkend da, bis wir sie aus den Augen verloren hatten. Dann holten wir die Amme und unser Kind und machten uns auf nach Hever, um den Sommer mit meinen Kindern zu verbringen.
     
    Ich hatte ein ganzes Jahr lang jeden Abend darum gebetet. Gott sei Dank hatte der Klatsch bei Hof sich nicht bis Kent verbreitet, so daß meine Kinder nichts von der Gefahr ahnten, in der unsere kleine Familie geschwebt hatte. Man hatte ihnen meine Briefe gegeben, in denen ich erklärt hatte, daß ich jetzt mit William verheiratet war und wir ein Kind erwarteten. Man hatte ihnen gesagt, daß ich ein kleines Mädchen zur Welt gebracht hatte und sie eine neue Schwester hätten. Die beiden waren so aufgeregt wie ich, sehnten sich genauso nach einem Wiedersehen wie ich.
    Sie spielten auf der Zugbrücke, als wir durch den Park ritten. Ich sah, wie Catherine Henry auf die Beine zerrte und dann beide auf uns zugerannt kamen. Catherine raffte ihren langen Rock, so daß sie unbehindert laufen konnte, und Henry überholte sie mit langen Schritten. Ich sprang vom Pferd und breitete meine Arme aus. Sie stürzten sich hinein, faßten mich bei der Taille und umarmten mich.
    Sie waren beide gewachsen. Ich hätte weinen können, wie schnell sie in meiner Abwesenheit in die Höhe geschossen waren. Henry reichte mir schon bis zur Schulter. Er würde einmal so groß und stattlich werden wie sein Vater. Catherine war beinahe schon eine junge Frau, so groß wie ihr Bruder und sehr anmutig. Sie hatte die haselnußbraunen Augen der Boleyns und ihr keckes Lächeln. Ich hielt sie ein wenig von mir weg, um sie besser betrachten zu können. Ihr Körper zeigte bereits weibliche Rundungen, ihre Augen waren die eines jungen Mädchens an der Schwelle zum Erwachsensein: optimistisch, vertrauensvoll. »O Catherine, aus dir wird eine wirkliche Boleyn-Schönheit«, rief ich aus, und sie errötete tief und schmiegte sich an mich.
    William stieg vom Pferd und umarmte Henry. Dann wandte er sich

Weitere Kostenlose Bücher