Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
einem einzigen Streich!«
Anne knirschte mit den Zähnen. »Sie ist unerträglich.«
»Und du kannst es ihr nicht einmal heimzahlen«, meinte George. »Vergiß es also. Kopf hoch, lächle und bezaubere ihn, wenn du kannst.«
»Beim Essen wird vielleicht die Rede von dem Bündnis mit Spanien sein«, warnte Sir Francis sie, als sie sich erhob. »Sagt besser nichts dagegen.«
Anne schaute ihn über die Schulter an. »Wenn ich wie Jane Seymour werden muß, soll er mich besser gleich verstoßen«, erklärte sie. »Wenn ich alles, was mich ausmacht – meinen Witz, mein Temperament und meine Leidenschaft für die Reform der Kirche –, plötzlich leugnen muß, dann habe ich mich selbst verbannt. Wenn der König eine Frau haben will, die nach seiner Pfeife tanzt, hätte ich mich wohl niemals um den Thron bemühen sollen. Wenn ich nicht ich selbst sein kann, sollte ich besser nicht mehr hier sein.«
George ging zu ihr und küßte ihr die Hand. »Nein, denn wir beten dich alle an«, sagte er. »Dies ist nur eine vorübergehende Laune des Königs. Er will Jane, wie er einmal Madge wollte und davor Lady Margaret. Er wird sich schon wieder eines Besseren besinnen und zu dir zurückkehren. Erinnere dich daran, wie lange ihn die Königin halten konnte. Er ist ein dutzendmal gegangen und immer wieder zu ihr zurückgekehrt. |631| Du bist seine Frau, die Mutter seiner Prinzessin, genau wie sie. Du kannst ihn halten.«
Bei diesen Worten lächelte sie, straffte die Schultern und gab mir durch ein Nicken zu verstehen, ich solle die Tür öffnen. Ich hörte das Raunen, als sie in den Vorraum trat in ihrem üppig grünen Samtkleid, Smaragde an den Ohren, blitzende Diamanten an ihrer grünen Haube und das goldene »B« an der Perlenkette um den Hals.
Gegen Ende Februar wurde es sehr kalt, und die Themse vor dem Palast fror zu. Der Landungssteg erstreckte sich wie ein Bohlengang über das Eis, und die Stufen am Landetor führten auf glasklare Eisschollen hinunter. Der Fluß war eine seltsame Straße geworden. An den dünneren Stellen des Eises sah man, wie das Wasser grün und gefährlich darunter wirbelte.
Gärten, Wege, Mauern und Alleen um Greenwich waren in ein wundersames Weiß getaucht, in den Lustgärten waren die Wege mit ihren Spalieren von Frost überhaucht.
Nachts war es bitterkalt, und ein eisiger Wind wehte von Osten. Doch tagsüber strahlte die Sonne hell, und es war eine reine Wonne, in den Garten zu laufen und auf dem Rauhreif des Rasens Bowling zu spielen.
Der König erklärte, es sollte einen winterlichen Jahrmarkt geben, es sollten auf Schlittschuhen Turniere ausgefochten und getanzt und ein Maskenspiel für den Winter aufgeführt werden – mit Schlitten und Feuerschluckern und Moskauer Gauklern.
Ochsen wurden von Smithfield über den zugefrorenen Fluß getrieben und am Ufer über großen Feuern am Spieß gebraten. Küchenjungen rannten mit heißem Brot vom Schloß zum Fluß.
Jane war eine Winterprinzessin in Weiß und Blau, mit weißem Pelz am Kragen und an der Kapuze ihres Umhangs. Sie bewegte sich nur sehr unsicher auf Schlittschuhen und mußte rechts und links vom Bruder und vom Vater gestützt werden. Sie schoben und schubsten sie – passiv und wunderschön – auf den König und den Thron zu. Ich überlegte mir, |632| daß es den Seymour-Mädchen eigentlich gar nicht anders als den Boleyn-Mädchen erging.
Henry hatte stets einen Sitzplatz an seiner Seite für sie reserviert. Der Thron der Königin war, wie es sich gehörte, zu seiner Rechten, doch zu seiner Linken stand ein Sessel für Jane, auf dem sie sich nach dem Eislaufen ausruhen konnte. Der König lief nicht mit uns Schlittschuh, denn die Wunde an seinem Bein war noch immer nicht verheilt. Man sprach sogar davon, daß französische Ärzte zu Rate gezogen werden sollten, der König gar eine Wallfahrt nach Cambridge machen wollte. Nur Jane konnte ihm die schlechte Laune vertreiben, und sie schaffte es, indem sie einfach nichts tat. Sie stand neben ihm, ließ sich vor seinen Augen von ihrer Familie auf Schlittschuhen hin und her schieben, zuckte zusammen, wenn es Hahnenkämpfe gab, benahm sich wie immer, eine törichte Zimperliese. Das tröstete den König mehr, als Anne es je vermochte.
Anne erschien an jedem der drei Tage unten am Fluß, um mit dem König zu Abend zu speisen. Als ich sie mit der Anmut einer russischen Tänzerin auf ihren scharfen Fischbeinkufen über das Eis gleiten sah, kam mir der Gedanke, daß wir Boleyns uns in diesem
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