Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Winter alle auf sehr dünnem Eis bewegten. Zuweilen runzelte der König beim unschuldigsten Wort aus Annes Mund mißgelaunt die Stirn. Sie konnte es ihm einfach nicht recht machen. Er beobachtete sie unablässig mit mißtrauischen, zusammengekniffenen Schweinsäuglein.
    Anne versuchte ihn mit ihrer guten Laune und ihrer Schönheit zu blenden. Sie zügelte ihr Temperament, auch wenn er stets mißmutig und schlecht gelaunt war. Sie tanzte, spielte, lachte, fuhr Schlittschuh, war nur Freude und Strahlen. Sie drängte Jane Seymour in den Hintergrund, denn kein Mann hatte noch Augen für eine andere, wenn Anne in so sprühender Laune war. Der König konnte den Blick nicht von ihr wenden, aber er war nicht mehr verzaubert. Er starrte sie an, als wollte er etwas verstehen, als wollte er ihren Zauber zerpflücken, sie all dessen beraubt sehen, was sie einmal für ihn so begehrenswert gemacht hatte. Er starrte sie an, als könne er |633| nicht glauben, daß sie ihn so viel gekostet und ihm dafür so wenig gegeben hatte. Nichts konnte ihn noch überzeugen, daß er ein gutes Geschäft gemacht hatte.
    Während ich Anne beobachtete, musterten George und Sir Francis ihrerseits Cromwell. Es ging das Gerücht um, der König könne Anne verstoßen – mit der Begründung, die Ehe sei von Anfang an ungültig gewesen. George und ich höhnten über dieses Gerücht, doch Sir Francis wies uns darauf hin, daß im April das Parlament ohne Angabe von Gründen aufgelöst werden würde.
    »Und was macht das?« fragte ihn George.
    »Dann halten sich alle guten Landedelleute wieder in ihren Grafschaften auf, wenn der König gegen die Königin vorgeht«, meinte er.
    »Sie würden sie wohl schwerlich verteidigen«, sagte ich. »Sie hassen Anne.«
    »Sie würden sie nicht verteidigen, doch die Würde der Königin schon«, entgegnete er. »Er hat sie gezwungen, gegen Königin Katherine Meineide zu schwören, sie mußten sich von Prinzessin Mary lossagen und Elizabeth anerkennen. Wenn der König nun Anne verstößt, dann könnten sie das Gefühl bekommen, daß er sie zum Narren hält, und das wird ihnen nicht gefallen. Wenn er jetzt plötzlich wieder die Ansicht des Papstes für gültig erklärt, kommt ihnen diese neuerliche Kehrtwendung vielleicht ein wenig zu rasch.«
    »Aber die Königin ist doch tot«, meinte ich und dachte an meine alte Herrin Katherine. »Selbst wenn seine Ehe mit Anne aufgelöst wird, kann er nicht zur Königin zurückkehren.«
    George schnalzte angesichts meiner Begriffsstutzigkeit leise mit der Zunge. Sir Francis hatte mehr Geduld mit mir. »Der Papst ist nach wie vor der Meinung, daß die Ehe mit Anne ungültig ist. Also wäre Henry jetzt Witwer und könnte wieder heiraten.«
    Instinktiv blickten George, Francis und ich zum König. Er erhob sich gerade von seinem Thron. Sir John Seymour und Sir Edward Seymour zu beiden Seiten halfen ihm auf. Vor ihm |634| stand Jane und lächelte mit leicht geöffneten Lippen zu ihm empor, als hätte sie nie einen attraktiveren Mann gesehen als diesen fetten Invaliden.
    Anne, die auf der anderen Seite der Eisfläche mit Henry Norris und Thomas Wyatt Schlittschuh lief, kam herbeigeglitten und fragte beiläufig: »Nun, nun, lieber Mann? Bleibt Ihr nicht noch ein Weilchen bei uns?«
    Er schaute sie an. Ihre Wangen waren rosig vom kalten Wind, sie trug ihren scharlachroten Reithut mit der langen Feder, und eine Haarsträhne kitzelte sie an der Wange. Sie war unzweifelhaft eine strahlende Schönheit.
    »Ich habe Schmerzen«, erwiderte er langsam. »Während Ihr Euch vergnügtet, habe ich gelitten. Ich gehe in meine Gemächer, um mich auszuruhen.«
    »Ich komme mit«, sagte sie sofort. »Wenn ich das gewußt hätte, ich wäre nicht von Eurer Seite gewichen. Aber Ihr selbst habt mir gesagt, ich solle gehen und Schlittschuh laufen. Mein armer Mann, ich bereite Euch einen Kräutertee, und dann setze ich mich zu Euch und lese Euch vor, wenn Ihr mögt.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich würde es vorziehen zu schlafen«, sagte er. »Ich hätte lieber Stille als Euer Vorlesen.«
    Anne errötete. Henry Norris und Thomas Wyatt wandten den Blick ab, wünschten, sie wären woanders. Die Seymours setzten eine diplomatisch ungerührte Miene auf.
    »Also sehe ich Euch beim Abendessen«, sagte Anne und hielt ihr Temperament im Zaum. »Und ich werde beten, daß Ihr dann ausgeruht und schmerzfrei seid.«
    Henry nickte und wandte sich von ihr ab. Die Seymours stützten seine Arme und halfen ihm über den

Weitere Kostenlose Bücher