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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Sie war eine Frau, deren Worte nur hell und wahr klingen konnten.
    Die große, zweiflügelige Tür öffnete sich. »Seine Majestät, der König!« verkündete der Herold, und Henry schritt in den Raum. »Ich bin gekommen, um Euch zum Essen zu führen«, begann er, doch dann sah er mich und blieb wie angewurzelt stehen. Der Blick der Königin streifte abwägend von seinem Gesicht zu dem meinen und zurück.
    »Mary!« rief er aus.
    Ich vergaß sogar meinen Hofknicks. Ich starrte ihn einfach nur an.
    Auch Annes kleines, warnendes Schnalzen rief mich nicht in die Wirklichkeit zurück. Mit drei langen Schritten durchquerte |79| der König den Raum, nahm meine Hände in die seinen und preßte sie an seine Brust.
    »Meine Liebste«, flüsterte er leise. »Willkommen zurück am Hof.«
    »Ich danke Euch …«
    »Ich habe gehört, man habe Euch fortgeschickt, um Euch eine Lektion zu erteilen. Habe ich recht gesprochen, als ich sagte, Ihr könntet zurückkehren, ehe Ihr sie ganz gelernt hättet?«
    »Ja, ja, vollkommen recht«, stammelte ich.
    »Man hat Euch nicht gescholten?« drängte er mich.
    Ich lachte leise und blickte ihm in die durchdringenden blauen Augen. »Nein. Sie waren ein wenig böse mit mir, aber das war alles.«
    »Möchtet Ihr an den Hof zurückkehren?«
    »O ja.«
    Die Königin erhob sich. »Dann wollen wir also zum Abendessen schreiten, meine Damen«, sprach sie in den Raum hinein. Henry warf ihr einen raschen Blick zu. Sie streckte ihm die Hand hin, ganz die gebieterische Tochter Spaniens. In altvertrauter Ergebenheit wandte er sich ihr zu, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich ihn je zurückgewinnen sollte. Ich trat hinter sie und beugte mich tief herab, um ihre Schleppe zu ordnen, während sie in königlicher Würde dastand, schön trotz ihrer gedrungenen Gestalt, trotz der traurigen Müdigkeit auf ihrem Gesicht.
    »Danke, Mistress Carey«, sagte sie sanft. Und dann führte sie uns zum Essen, die Hand leicht auf den Arm ihres Mannes gestützt, und er neigte ihr den Kopf zu, um ihr zuzuhören, und schaute nicht mehr zu mir zurück.
     
    George begrüßte mich gegen Ende des Abendessens. Er kam zum Tisch der Königin herübergeschlendert, als wir Hofdamen dort bei Wein und Leckereien saßen, und brachte mir eine kandierte Pflaume. »Süßes für die Süße«, sagte er und küßte mich auf die Stirn.
    »Oh, George«, sagte ich. »Danke für deinen Brief.«
    |80| »Du hast mich mit verzweifelten Hilferufen bombardiert«, erwiderte er. »Drei Briefe allein in der ersten Woche. War es denn so schrecklich?«
    »Die erste Woche schon«, antwortete ich. »Aber dann habe ich mich daran gewöhnt. Gegen Ende des ersten Monats habe ich rechten Gefallen am Landleben gefunden.«
    »Nun, wir haben hier alle unser Bestes für dich getan«, sagte er.
    »Ist Onkel bei Hof?« fragte ich und schaute mich um. »Ich sehe ihn nicht.«
    »Nein, er ist in London bei Wolsey. Aber er weiß alles, mach dir keine Sorgen. Er hat mir aufgetragen, dir zu sagen, daß er sich Bericht über dich erstatten läßt, und er vertraut darauf, daß du inzwischen weißt, wie du dich zu benehmen hast.«
    Jane Parker lehnte sich über den Tisch zu uns herüber. »Ihr wollt wohl auch Hofdame werden?« fragte sie George. »Denn Ihr sitzt an unserem Tisch und auf dem Schemel einer Dame.«
    George erhob sich ohne Hast. »Ich bitte um Verzeihung, meine Damen. Ich wollte mich nicht aufdrängen.«
    Ein halbes Dutzend Stimmen versicherte ihm, daß er nicht störte. Mein Bruder war ein attraktiver junger Mann und ein gern gesehener Gast in den Gemächern der Königin. Niemand außer seiner sauertöpfischen Verlobten hatte etwas dagegen, wenn er sich zu uns an den Tisch gesellte.
    Er neigte sich über ihre Hand. »Mistress Parker, ich danke Euch, daß Ihr mich daran erinnert, daß ich Euch verlassen muß«, sagte er höflich, und hinter den süßen Worten war deutlich seine Verärgerung herauszuhören. Er beugte sich herab und küßte mich fest auf den Mund. »Gott mit dir, kleine Marianne«, flüsterte er mir ins Ohr. »Auf dir ruht die Hoffnung der ganzen Familie.«
    Ich ergriff seine Hand, als er gerade gehen wollte. »Warte, George, ich wollte dich etwas fragen.«
    Er wandte sich um. »Was?«
    Ich zerrte ihn an der Hand zu mir herunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Glaubst du, daß er mich liebt?«
    »Oh«, erwiderte er. »Oh, die Liebe.«
    |81| »Nun, glaubst du es?«
    Er zuckte die Achseln. »Was bedeutet das Wort schon? Den lieben langen Tag

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