Die Schwestern des Lichts - 3
keine Auseinandersetzung mit ihr und vor allem nicht mit einer Magierin wollte, die so viele Männer auf derart schreckliche Weise getötet hatte. Daher durfte sie wieder ihren Geschäften nachgehen.«
Ein Teil der Anspannung schien aus ihren Schultern zu weichen. Sie betrachtete einen Augenblick lang die Teetasse, dann nahm sie noch einen Schluck. Sie hielt Zedd die Tasse zum Auffüllen hin. Er schenkte etwas nach. Nebenbei wünschte er sich, ein wenig mehr Wolkenblatt in seinen eigenen Tee gegeben zu haben. Er glaubte nicht, daß die Geschichte hiermit zu Ende war.
»Mein Kind habe ich verloren«, sagte Adie leise schnarrend.
Zedd hob den Kopf. »Das tut mir leid, Adie.«
Sie sah auf und blickte ihm in die Augen. »Ich weiß.« Nachdem er den Kessel abgesetzt hatte, ergriff sie seine Hand mit beiden Händen. »Ich weiß.« Sie zog ihre Hände zurück. »Meine Kehle ist verheilt.« Sie berührte sich ganz sacht am Hals, dann flocht sie die Finger ineinander. »Aber meine Stimme klingt jetzt, als ob man mit Eisen über Felsen kratzt.«
Er sah sie schmunzelnd an. »Ich mag das Eisen in deiner Stimme. Es paßt zu dir.«
Die Andeutung eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Meine Augen haben sich allerdings nicht mehr erholt. Ich bin blind. Großmutter Lindel ist vielleicht nicht so stark wie ich, aber sie ist alt und kennt so manchen Trick. Sie hat mir beigebracht, ohne meine Augen zu sehen. Sie hat mir gezeigt, wie man mit der Gabe sieht. Es ist nicht dasselbe wie mit den Augen, doch in mancherlei Hinsicht ist es besser. Auf gewisse Weise sehe ich mehr.
Als ich wieder gesund war, wollte Großmutter Lindel, daß ich fortgehe. Sie wollte niemanden bei sich haben, der den Eid gebrochen hatte, auch wenn wir blutsverwandt waren. Sie hatte Angst, ich könnte ihr Schwierigkeiten machen. Ob durch den Hüter, weil ich meinen Eid gebrochen hatte, oder durch den Lebensborn, das wußte sie nicht, aber sie befürchtete, es würde meinetwegen Ärger geben.«
Zedd lehnte sich zurück und reckte ein wenig seine angespannten Muskeln. »Und – gab es Ärger?«
»O ja«, zischte Adie und hob die Brauen, während sie sich vorbeugte. »Und zwar wie. Mathrin Galliene brachte ihn mit: zwanzig Männer des Lebensborns. Im Dienste der Krone. Kampferprobte Männer, große Kerle mit grimmiger Miene, wilde Typen, schön anzusehen auf ihren Pferden, in Reih und Glied mit ihren Schwertern, Schilden und Bannern, die Lanzen alle im gleichen Winkel ausgerichtet. So hübsch anzusehen in ihren Kettenhemden, ihren blankgeputzten Harnischen, in die man den funkelnden Kranz der Krone getrieben hatte – und alle trugen sie Helme mit roten Federbüschen, die beim Reiten auf und ab wogten. Jedes einzelne Pferd ein Schimmel.
Ich stand auf der Veranda und verfolgte mit den Augen der Gabe, wie sie vor mir Aufstellung nahmen, ganz so, als träten sie vor dem König höchstpersönlich an. Jedes Pferd stellte den Fuß auf die gleiche Weise ab, alle blieben sie auf einen Fingerzeig des Kommandanten in Reih und Glied stehen. Da standen sie vor mir, darauf erpicht, ihre grausige Pflicht zu tun. Mathrin wartete auf seinem Pferd hinter ihnen und sah zu. Der Kommandant rief mir zu: ›Du bist verhaftet als Verderbte, und als solche wirst du hingerichtet werden.‹«
Adie erwachte aus ihrer Erinnerung und hob den Kopf. Ihr Blick traf den von Zedd. »Ich dachte an Pell. Meinen Pell.«
Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich zu einer eisernen Maske. »Sie waren alle tot, bevor ein einziges Schwert die Scheide verließ, bevor eine Lanze angehoben wurde, bevor ein einziger Fuß den Boden berührte. Mit allem, was ich hatte, fegte ich über ihre Reihe hinweg, von links nach rechts, Mann für Mann, einen nach dem anderen, gedankenschnell. Sie stürzten mit dumpfem Schlag vom Pferd. Jeder einzelne von ihnen, bis auf den Kommandanten. Er hockte noch immer mit versteinerter Miene auf seinem Schimmel, während seine Männer in ihren Rüstungen krachend auf beiden Seiten zu Boden gingen.
Als es vorbei und das Scheppern des letzten Schildes verhallt war, sah ich ihm in die Augen. ›Eine Rüstung‹, erklärte ich ihm, ›ist zwecklos gegen eine wahre Verderbte. Oder eine Magierin. Sie taugt nur gegen Unschuldige.‹ Dann trug ich ihm auf, dem König eine Nachricht von mir zu überbringen. Ich sagte: ›Berichte ihm, daß, wenn er mir noch einen einzigen Mann des Lebensborns nachsendet, um mich gefangenzunehmen, dann dies der letzte Befehl sein wird, den er je
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