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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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hat sie gewürgt – und dann?» Rosina schauderte. «Natürlich, die Schollen. Als sie erst hilflos war, weil sie nicht mehr genug Atemluft bekam, hoffentlich ohnmächtig, hat er sie in die Alster und damit unter die Eisschollen gestoßen. Ihre Kleidung muss sie sofort hinuntergezogen haben. Es heißt, wer unters Eis gerät, ist rettungslos verloren.»
    Beide schwiegen und hingen für einen Augenblick dem gleichen Gedanken nach, nämlich was für ein Glück es war, dass Rosina der praktischen Überprüfung dieser Auskunft heute Morgen entgangen war.
    «War sie schwanger, als sie starb?»
    Wagner schüttelte sanft errötend den Kopf. Er würde sich nie daran gewöhnen, wie direkt Rosina über Angelegenheiten sprach, die sonst mit blumigen Worten umschrieben wurden, besser noch unerwähnt blieben. Wobei er zugestand, dass zum Beispiel «guter Hoffnung sein» für einen Leichnam wenig passend klang.
    «Nein. Das heißt, der Physikus hat es nicht erwähnt. Und ich – nun ja.»
    «Und Ihr habt nicht gefragt? Vielleicht solltet Ihr das nachholen», schlug Rosina ungewohnt milde vor. «Wenn sie jemand umgebracht hat, was die Spuren an ihrem Hals mehr als vermuten lassen, wäre das womöglich ein veritables Motiv, oder? Was hat der Physikus sonst gesagt?»
    «Nichts Besonderes, ich bekomme noch das Protokoll», sagte Wagner, froh, dass sie ihm sein Versäumnis nicht mit Spott vergalt. «Er sagt, sie war eine gesunde Frau mittleren Alters und von mittlerer Größe, kräftig, auch die Muskeln, recht gut genährt, glattes blondes Haar, keinerlei Besonderheiten, ja, und alles in allem trotz des Wassers gut erhalten.»
    Rosinas Blick wurde abwesend, Wagner lehnte sich endlich zurück, nahm noch einen Schluck und wartete. Die Wärme des Kachelofens und der süße Wein ließen ihn eine wohlige Schläfrigkeit fühlen. Irgendwann würde er für Karla auch so einen Ofen setzen lassen. Aus schneeweißen Kacheln. Sie war dünn wie ein Vögelchen und fror so leicht.
    «Gut erhalten», holte ihn Rosinas klare Stimme aus der Schläfrigkeit. «Genauso hat auch Dr.   Pullmann gesagt: gut erhalten. Ich verstehe mich nicht auf solcherlei Wissenschaften, aber jedes Kind weiß, dass Eis alles gut erhält. Ihr erinnert Euch an den Toten im Festungswall? Obwohl der kein passender Vergleich ist. Er hatte nur kurz im Eis gesteckt, wenn ich mich richtig erinnere, eine Nacht und einen Vormittag, und da war kein Wasser, es gab nur unerbittlich kalte Eisblöcke.»
    Wagner war nun wieder hellwach. «Ihr meint, wenn sie so gut erhalten ist, wie sie es ist – nicht völlig, vor allem an ihrer Rückseite, aber für eine Wasserleiche wirklich gut –, muss sie sehr schnell vom Eis eingeschlossen worden sein?»
    «Das ist die einzige Erklärung, oder? Die Alster ist seit Wochen zugefroren, genauso lange muss sie tot sein. Hätte sie früher im Wasser gelegen, würde gewiss niemand urteilen, sie sei gut erhalten. Das bedeutet zweierlei. Zum einen …»
    «… wird sie dann kaum mit der Strömung zu der Fundstelle angetrieben worden sein. Das Eis mag sich auf der Elbe verschieben, auf der Binnenalster wandert es nicht, wenn es erst mal richtig gefroren ist.»
    «Jedenfalls nicht weit. Und in diesem Winter war es so dick wie lange nicht mehr. Sonst hätte es den Leichnam auch weniger stark eingeschlossen. Also muss sie in einer Nacht unters Eis geraten sein, in der die Alster schon gefroren war, brüchige Schollen den See bedeckten, und – ja, und dann?»
    «Dann muss es schon in den nächsten Stunden stark gefroren haben. Sehr stark.»
    Wagner nickte zufrieden. «So starke Temperaturabfälle gibt es nicht oft. Damit kann ich herausfinden, wann sie starb, jedenfalls annähernd. Über das Wetter wird im Rathaus für den jährlichen Staatskalender Buch geführt. Auch die täglichen Zeiten von Ebbe, Flut und Torsperre oder der Gestirne. Obwohl ich mich frage, wozu es für die Bürger dienlich sein soll, das im nächsten Jahr nachzulesen.»
    Rosina ignorierte den letzten Satz. «Das hört sich plausibel an. Ich meine das mit dem Wetter.» Ihre Stimme klang zögerlich. «Trotzdem habe ich ein Gefühl, als bewegten wir uns gerade auf sehr dünnem Eis. Metaphorisch gesprochen», fügte sie hinzu, und auf seinen verständnislosen Blick: «Ich meine bildlich, wie in einem Bild. Egal, es ist eine Spekulation, findet Ihr nicht? Sie könnte früher im Wasser gelandet sein, doch angetrieben und dann …»
    «Nein», unterbrach der Weddemeister mit überraschender

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