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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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irgendwo in der Stadt düsteres Volk herumtrieb, dann hier, und wer sich nicht ganz genau auskannte, ging in diesem Labyrinth schon bei Tag verloren.
    Janne verschloss hastig ihre Tür und verließ das Haus. Plötzlich hatte sie es sehr eilig. Wenn Mine sich direkt nach ihrem Besuch diese Mühe machte, musste es um etwas Wichtiges gehen. Womöglich doch ein Unglück. Elske fiel ihr ein, und ihr Herzschlag stolperte. Nicht Elske. Nicht auch noch Elske.
    Ein Mann kam ihr entgegen, sie drückte sich an die Wand, hielt die Laterne hoch über ihren Kopf und ließ ihn passieren. Er schlurfte, ohne sie zu beachten, schwerfällig vorbei, ließ einen undefinierbar penetranten Geruch zurück, vielleicht nach einer Mischung aus Schwefel und Terpentin, und verschwand in einem der nächsten Keller. Sie eilte weiter und bog in den letzten Gang ein, der direkt auf die Berckhofstraße führte. Da hörte sie ihren Namen, just dort, wo zwischen den eng aneinandergeklebten und hoch aufgetürmten, einander ächzend stützenden Gemäuern eine Lücke klaffte, weil eines der maroden Gebäude zusammengebrochen war. Sie blieb irritiert stehen und sah sich, die Laterne hochhaltend, suchend und lauschend um. Das Licht der Unschlittkerze reichte nur ein paar Handbreit und ließ die dahinterliegende Dunkelheit nur noch schwärzer erschienen.
    «Ja?», rief sie. «Mine? Ich bin hier?», und begriff im gleichen Moment, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Einen schrecklich dummen Fehler. Sie drehte sich hastig um, doch es gab kein Zurück mehr. Es war zu spät. Selbst für einen Schrei. Etwas schnürte ihre Kehle zu, keine Hände, etwas schneidend Dünnes, ihre Laterne fiel, Glas klirrte an Metall, und die Kerze verlosch. Noch einmal versuchte sie sich zu wehren, um sich zu schlagen, nach hinten zu treten, dorthin, wo ihr Angreifer sein musste, noch einmal. Wieder vergeblich, ihr Fuß verfing sich in einem Mantelumhang, und sie fiel und fiel und fiel …

Kapitel 7
    Donnerstagmorgen, 25. März
    Madam Augusta wunderte sich. Hatte Molly nicht ihr Leben lang über der Feinbäckerei nahe dem Waisenhaus gelebt? Der Anblick der durch acht bis zur Dachtraufe hinaufreichenden Pilaster gegliederten Fassade des dreigeschossigen Gebäudes musste ihr vertraut sein. Trotzdem stand sie nun davor und starrte zu der Statue über dem Portal hinauf, als sehe sie sie zum ersten Mal und müsse sich den Anblick genau einprägen. Als ein Glöckchen die Zeit schlug, trat sie einen Schritt zurück und beschirmte die Augen gegen das Morgenlicht mit der Hand, um auch den Dachreiter mit der Turmuhr und dem in seiner Laterne sichtbaren Glöckchen zu mustern. Molly schien nicht nur die Zeit vergessen zu haben, sondern auch, dass es sich für eine Dienstbotin nicht gehörte, ja, geradezu skandalös war, die Herrschaft warten zu lassen. Insbesondere auf offener Straße.
    Augusta beschloss, geduldig zu sein, was ihr an diesem schönen sonnigen Morgen ausnahmsweise leichtfiel. Sie hatte wunderbar geschlafen und üppiger als gewöhnlich gefrühstückt, was den Tagesbeginn stets heiter machte. Dann hatte Claes erklärt, Brooks bringe den Einspänner zum Gartenhaus vor dem Dammtor, die Remise dort stehe leer und in der engen Stadt nehme das zurzeit kaum benutzte Gefährt Platz weg. Es sei nur praktisch, wenn der Kutscher den Weg am Hafen entlang nehme und Augusta zum Waisenhaus bringe. Da hatte sie endgültig gewusst, es werde ein guter Tag.
    Vom Haus der Herrmanns am Neuen Wandrahm bis zum Rödingsmarkt ging man nur eine gute Viertelstunde, da der Weg direkt am Hafen entlangführte, auch an der Waage und am Kran, wo es immer etwas zu sehen gab, konnte es doppelt so lange dauern, was aber keine größere Anstrengung bedeutete. Also war es ein angenehmer Weg, nicht zu lang, nicht zu kurz, um alte Knochen in Bewegung zu halten, ohne sie zu überfordern, insbesondere an einem so lieblich milden Tag. Seit sie begriffen hatte, dass sie nicht alt wurde , sondern alt war , bemühte sie sich, ihrer Neigung zu körperlicher Faulheit zu widerstehen, doch es wäre wirklich albern, die kleine Kutsche leer vorausfahren zu lassen.
    Wahrhaft glücklich über die leider allzu kurze Fahrt war Molly gewesen. Sie fühle sich wie eine Prinzessin, hatte sie versichert, auch wenn es noch so rumpele und schüttele, eine Kutschfahrt sei doch etwas Grandioses, nur sei es furchtbar schade, dass diese Strecke zu eng und zu belebt sei, um schneller fahren zu können. Was Augusta wiederum sehr angenehm fand,

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