Die Schwestern von Sherwood: Roman
gleichgültig, was die Leute sagen würden.
Seine Mutter blickte ihn fassungslos an. In ruhigen Sätzen versuchte er ihr alles zu erklären, doch sie hörte ihm gar nicht zu.
»Das kannst du nicht ernst meinen! Sie ist taub und verhält sich, als sei sie gestört! Du wirst uns zum Gespött der Leute machen …« Ihre Stimme überschlug sich.
»Wenn du Amalia erst kennenlernst, wirst du feststellen, dass sie wundervoll ist«, erwiderte er gelassen.
»Ich werde das niemals dulden!«
Er schwieg für einen Moment. Sehr wohl hatte er die Schärfe in ihrem Ton registriert. »Aus Respekt vor dir als Mutter möchte ich deine Zustimmung zu dieser Heirat, als das neue Familienoberhaupt und der Earl von Hampton bedarf ich ihrer jedoch nicht!«
»Und was ist mit Cathleen und ihren Eltern? Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie begeistert sein werden. Du könntest alles gefährden!«
Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ihren Eltern geht es allein um den gesellschaftlichen Aufstieg, darum, Zutritt zu unseren Kreisen zu erhalten. Und die Verlobung mit Cathleen ist glücklicherweise noch nicht offiziell bekannt gegeben. Es wird kein Schaden für sie daraus entstehen. Und du wiederum kannst beruhigt sein, sie werden trotzdem zahlen«, setzte er kühl hinzu.
Seine Mutter starrte ihn voller Entsetzen an. Edward hatte gewusst, dass das Gespräch nicht einfach werden würde. Er musste daran denken, wie Amalia reagiert hatte, als er ihr erklärt hatte, dass er sie heiraten wolle. Auch sie hatte sofort an ihre Schwester gedacht. Aber was ist mit Cathleen? Sie ist in dich verliebt. Es würde ihr das Herz brechen.
Er hatte ihr sanft das Haar aus dem Gesicht gestrichen. Aber ich liebe sie nicht. Ich werde sie nie lieben. Das hat deine Schwester nicht verdient … Glaub mir, Cathleen wird darüber hinwegkommen und sich irgendwann für dein Glück freuen, so wie du es auch für ihres tun würdest.
Amalia hatte nichts erwidert. Doch er erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, dass er den ersten Schritt gewonnen hatte. Er hatte ihr das Versprechen abgenommen, dass sie mit niemandem darüber sprechen würde, vor allem nicht mit ihrer Schwester. Er selbst wollte das tun, sobald er aus London zurück war. Einige nicht aufschiebbare Termine waren dort wahrzunehmen. Der Tod seines Vaters und das damit verbundene Erbe seines Titels waren noch immer mit etlichen Formalitäten am Hof verbunden.
Nächste Woche bin ich zurück. Dann spreche ich mit Cathleen und auch mit deinem Vater , hatte er Amalia erklärt. Nur mit seiner Mutter hatte er vorher schon reden wollen, denn er wusste, dass sie Zeit brauchen würde, seine Entscheidung zu akzeptieren.
Lady Hampton schien seine Entschiedenheit zu spüren. »Du meinst es wirklich ernst«, sagte sie leise.
Er nickte und griff nach der Hand seiner Mutter. »Gib Amalias und meinem Glück eine Chance«, bat er sie.
MELINDA
77
D er Schreck über den Einbruch in ihr Zimmer war größer, als Melinda sich eingestehen wollte. Sie suchte Mrs Benson auf, die außer sich war, als sie das Durcheinander sah.
»Meine Güte, was ist denn hier geschehen? Wie furchtbar!« Die Wirtin wurde blass. »Wurde etwas von Ihren Sachen gestohlen?«
»Nein.« Ihre wenigen Wertsachen waren noch da. Melinda hatte es sofort überprüft. Sogar die Schachfiguren.
Mrs Benson schien erleichtert. »Nun, die Tür am Hintereingang ist immer offen. Theoretisch kann natürlich jemand dort hereinkommen, ohne dass wir es bemerken. Aber so etwas ist wirklich noch nie passiert!« Sie wollte sich gar nicht mehr beruhigen.
»Es ist ja nichts passiert. Ich wollte nur, dass Sie es wissen«, sagte Melinda, die ihren eigenen Verdacht hatte, wer dahintersteckte, es aber für unklug hielt, ihn ohne einen Beweis laut auszusprechen.
»Mein Mann hat recht. Diese Riegelschlösser reichen einfach nicht«, sagte Mrs Benson kopfschüttelnd. »Wir müssen sie erneuern, damit die Gäste ihre Zimmer auch von außen abschließen können.«
»Ja, das wäre wahrscheinlich besser«, stimmte Melinda ihr zu. Sie fragte sich, was derjenige, der diese Unordnung veranstaltet hatte, eigentlich in ihrem Zimmer gesucht hatte. Ein Teil der Briefe war aus den Umschlägen gezogen, einige Bilder waren aufgerollt worden, und ihre Artikel lagen überall verstreut herum. Es sah tatsächlich nicht nach einem normalen Einbruch aus. Doch nichts fehlte. Sie war sich plötzlich sicher, dass Henry Tennyson dahintersteckte. Irgendetwas hatte er herauszufinden
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