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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Postbridge Inn abgesetzt habe?«, fragte er, und sein Ton nahm dabei einen so sachlichen Klang an, dass man deutlich den Anwalt heraushörte. »Weshalb hat dich Henry Tennyson bedroht?«
    »Meine Nachforschungen zu dieser Legende über die Sherwood-Schwestern waren ihm augenscheinlich nicht genehm. Er fürchtet, dass es den Verkauf des Anwesens erschwert …« Melinda zögerte kurz und erwog, ihm von dem Paket zu erzählen, das sie bekommen hatte. Doch dann entschied sie sich dagegen. Es war zu kompliziert, um es in wenigen Sätzen zu erklären.
    »Tennyson hat mich gestern Abend mit seinem Sportwagen gestellt und sich aufgeführt wie ein selbstherrlicher Lehnsherr aus dem letzten Jahrhundert«, berichtete sie und erzählte ihm die Einzelheiten ihrer Begegnung.
    George Clifford hörte ihr aufmerksam zu.
    Melinda nahm einen Schluck von ihrem Wein. »Ehrlich gesagt war seine Reaktion so überzogen, dass ich dadurch erst das Gefühl bekommen habe, er wolle etwas verbergen. Irgendetwas anderes muss noch hinter dieser Geschichte stecken. Und nach dem Angriff heute …« Sie brach ab und erinnerte sich mit einem Schaudern daran, wie sich die maskierte Gestalt in der Dunkelheit auf sie gestürzt hatte. Sie war sich sicher, dass es Tennyson gewesen war. Weshalb war es ihm so wichtig, sie derart einzuschüchtern, dass er nicht einmal vor Gewalt zurückschreckte? Jeder vernünftige Mensch würde ihr zur Abreise raten, dachte sie.
    »Hey!«, unterbrach eine sanfte Stimme ihre Gedanken.
    Sie blickte auf. George legte seine Hand auf ihre Schulter. »Er wird dich nicht mehr angreifen oder bedrohen. Glaub mir.« Etwas an der Art, wie er das sagte, ließ sie ahnen, dass er nicht bereit war, die Sache mit Tennyson auf sich beruhen zu lassen. Melinda musste auf einmal daran denken, wie er sie gewarnt hatte, dass es die Leute hier nicht mochten, wenn man zu viele Fragen stellte.
    »Du hast geahnt, dass so etwas passieren kann, oder? Woher wusstest du es?«
    Er zuckte die Achseln. »Ach, nur ein Gefühl.« Für einen flüchtigen Moment hatte sie den Eindruck, er würde ihr ausweichen.
    Sie nahmen das Essen im Wohnzimmer ein. Ein Feuer brannte im Kamin, und das Roastbeef und die Bohnen schmeckten köstlich. Eine eigenartige Befangenheit war zwischen ihnen zurückgekehrt, als würden sie sich erst jetzt bewusst werden, dass sie sich eben geküsst hatten und nun allein hier in seinem Haus zusammensaßen.
    Melinda merkte, dass Clifford sie mehrmals nachdenklich musterte. Er trank einen Schluck Wein.
    »Gibt es jemanden in deinem Leben, in Berlin?«, fragte er plötzlich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich war verlobt, aber wir haben uns getrennt.«
    «Weshalb?«
    Sie zuckte die Achseln. »Es gab viele Gründe. Der Krieg, wir hatten uns lange nicht gesehen und auseinandergelebt und hatten unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft. Er wollte nicht, dass ich arbeite und Journalistin werde. Und du?«
    Er zögerte kurz. »Ich war verheiratet. Meine Frau ist verstorben.«
    Melinda schluckte.
    »Schon zu Beginn des Krieges«, erklärte er. »Es kam völlig unerwartet. Eine Grippeepidemie.«
    »Das tut mir leid!«
    Er lächelte knapp. »Wir waren beide sehr jung. Dann kam der Krieg. Nun ja, es gab immer mal wieder jemanden …«
    Ihre Finger legten sich um den Stiel des Weinglases. »Warst du im Einsatz? Ich meine, hast du im Krieg gekämpft?«, fragte sie vorsichtig.
    Er nickte. »Ich gehörte zu einer Fallschirmjägereinheit und war in der Normandie und später, nach der Kapitulation, auch einige Monate als Besatzungsoffizier in Hamburg.«
    Melinda schwieg betreten.
    Er nahm die Teller an sich und lächelte. »Dessert? Mrs Norwich hat einen fantastischen Schokoladenkuchen gemacht.«
    Melinda schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich glaube, ich schaffe beim besten Willen nichts mehr!«
    »Gut. Ich werde uns noch einen Wein aus dem Keller holen.«
    Er entschwand in Richtung des Flurs, und sie erhob sich mit ihrem Glas und schlenderte durch den großzügig geschnittenen Raum. Neben dem Esstisch befanden sich eine Sitzgruppe mit einem großen Sofa und mehrere englische Clubsessel sowie ein großer Schreibtisch. Der Stapel Akten, der auf der einen Seite lag, ließ darauf schließen, dass George hier manchmal arbeitete. Mehrere Fotos standen am Rand des Tisches, und Melinda trat neugierig näher. Es waren Familienbilder. Auf einem stand Georges Vater neben einer Frau. Seine Mutter, nahm sie an – und der junge Mann daneben war vermutlich sein

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