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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Sie spürte, wie erregt er war, doch sie wusste, dass sie nicht gegen ihn ankommen würde. Dann nahm sie auf einmal wahr, dass jemand in den Raum gestürmt kam. Zwei Männerhände rissen Mr Beans von ihr fort. Sie erkannte Edward. Er packte den Lehrer, dessen geöffnete Hose um seine Knie rutschte, am Kragen, streckte ihn mit einem Kinnhaken zu Boden und warf sich auf ihn. Wie ein Besinnungsloser schlug er auf ihn ein. Sein Gesicht war weiß – noch nie hatte Amalia ihn so voller Zorn und Wut erlebt. Er würde ihn töten, begriff sie plötzlich.
    Sie stand taumelnd vom Sofa auf. Edward! Sie stürzte zu ihm, versuchte, ihn an der Schulter zu fassen und wegzuziehen, doch er ließ nicht von dem Lehrer ab. Verzweifelt schrie sie. Durch den Nebel seiner Wut schien Edward sie zu hören. Er hielt inne und wandte den Kopf zu ihr. Weinend bewegte sie die Hände. Hör auf, das ist er nicht wert. Du bringst ihn um! Sie zog ihn weg, und diesmal ließ er es zu. Benommen erhob er sich und sagte angewidert etwas zu dem Lehrer.
    Mr Beans stand taumelnd auf. Sein linkes Auge war geschwollen, und aus der aufgesprungenen Augenbraue und seinem Mundwinkel floss Blut. Humpelnd floh er aus der Wohnung. Edward schloss die Tür. Dann zog er sie in seine Arme.
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    S ie hatte ihm wieder und wieder beteuert, dass ihr nichts geschehen sei, dass er rechtzeitig dagewesen sei, bevor es zum Äußersten gekommen war. Doch Edward konnte sich nicht verzeihen. Ihre aufgeplatzte Lippe, die Prellungen, das zerrissene Kleid – es war mehr, als er ertragen konnte, und er wünschte, er hätte diesen Mann doch umgebracht.
    Sie allein hatte ihn davor bewahrt. Es war die Ohnmacht ihrer ganzen Situation, die ihm plötzlich bewusst wurde – er hatte sie nicht richtig beschützt, von Anfang an nicht. Es schien ihm unfassbar, was man ihr angetan hatte. In den Nächten lag er manchmal wach und hatte die Bilder im Kopf: wie man sie in das Heim brachte, wo sie Menschen wie diesem Beans ausgeliefert war und schließlich ihren Tod vortäuschen musste, um von dort zu fliehen. Das Schlimmste war, dass er sich nach außen hin nichts anmerken lassen durfte. Niemand durfte erfahren, dass sie noch lebte. Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen, Edward. Wem würde es etwas nutzen. Es würde einen Skandal geben, das weißt du. Erst recht, wenn man erfährt, was mit uns ist. Es würde nicht nur dich, sondern auch Cathleen und deine Schwestern treffen. Es würde uns alle zerstören …
    Wie immer hatte sie Recht. Doch es erfüllte ihn mit furchtbaren Zorn, dass er nicht frei entscheiden konnte. Nicht einmal jetzt. Wenn er seiner Mutter oder seiner Schwiegermutter gegenüberstand, kostete es ihn übermenschliche Beherrschung, sich nichts anmerken zu lassen. Er mied ihre Gegenwart und begegnete ihnen mit Kälte und Nichtachtung. An einem Tag hatte seine Mutter ihm deswegen Vorwürfe gemacht. »Womit habe ich es verdient, dass mein eigener Sohn mich so behandelt?«
    Er hatte sie angeschaut. »Verdient? Frage dich lieber, was mich daran hindert, dich des Hauses zu verweisen, damit ich dich nie wieder zu Gesicht bekomme. Du hast mein Leben zerstört«, erwiderte er eisig. Sie war zusammengezuckt, doch die Schuld stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    Es brachte indessen Schwierigkeiten mit sich, dass Amalia offiziell tot war. So konnten sie wegen des Vorfalls mit Mr Beans nicht zur Polizei gehen.
    Es würde alles herauskommen, Edward! , bedeutete sie ihm. Er wird mich in Ruhe lassen, nach dem, was passiert ist , fügte sie hinzu.
    Edward war sich dessen nicht sicher, aber er würde dafür sorgen. Ohne dass Amalia es erfuhr, stattete er Mr Beans in St. Mary’s Home einen Besuch ab. Ein Anwalt begleitete ihn. Das Gesicht des Lehrers, das immer noch die Spuren seiner Schläge trug, wurde bleich, als er plötzlich vor ihm stand. »Ich werde es kurz machen«, sagte Edward kühl. »Sollten Sie jemals wieder in ihrer Nähe auftauchen, werde ich Sie töten. Haben Sie verstanden?«
    Der Lehrer nickte stumm – ein erbärmliches Häufchen Mensch, der alles, was er war, nur aus dem Machtgefühl über andere zog. Edward überließ es dem Anwalt zu erklären, wer er war und was geschehen würde, sollte Mr Beans jemals wieder einem seiner Zöglinge gegenüber zudringlich werden. Dieses eine Mal spielte er seinen Namen und Titel und alles, was er war, aus. Mr Beans begriff, wen er vor sich hatte, und die zunehmende Angst in seinem Gesicht ließ Edward sicher sein, dass er Amalia nicht

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