Die Schwesternschaft
angelegt. In dieser Nacht war Boris, der Chef der für den Bunker verantwortlichen Wachmannschaft, nicht da, weil er an der Hochzeitsfeier seines Bruders teilnahm. Evgenij war daher allein. Als ehemaliger Soldat hatte er sein Glück in dieser einfachen, gut bezahlten und bequemen Arbeit gefunden. Er war überzeugt gewesen, dass es niemand wagen würde, Gavril Derzhavins neue Besitztümer zu entweihen â schon gar nicht hier in Sotschi, wo der Oligarch einige Geschäfte für die zukünftigen Olympischen Spiele abgewickelt hatte. Alle fürchteten ihn. Und es wäre Wahnsinn, zu versuchen, in den Bunker einzudringen. Und auÃerdem, wozu? Um sich ein paar bemalte Leinwände anzuschauen?
VjaÄeslav drehte das Messer in der Wunde, um das Ende zu beschleunigen, aber Evgenij dachte nicht daran zu sterben. Also durchtrennte ihm Äerubina mit einem tiefen, sauberen Schnitt die Kehle.
DrauÃen, in einiger Entfernung des Wachhäuschens, patrouillierten fünf Wachmänner an der Grundstücksgrenze. Sie nahmen die immer gleichen, nur allzu leicht berechenbaren Wege. Der Plan war einfach. Seitdem alle blind auf die elektronische Ãberwachung vertrauten, genügte es, wenn einer an die Sicherheitsprotokolle kam, und schon war das Spiel gewonnen. Arvo, der Doktor, war hier, um diese Theorie zu bestätigen, und er verstand verdammt viel von seinem Handwerk. Gerade war er damit beschäftigt, das Sicherheitssystem des Bunkers zu knacken.
Es war nicht leicht gewesen, hierher zu gelangen: Das maritime Sicherheitsnetz war gut durchdacht, und durch das laute Geräusch ihrer Tauchscooter wären sie ein paarmal beinahe entdeckt worden. Ãber diese Unannehmlichkeit würde Äerubina mit dem Händler, der sie ihr als die angeblich besten Unterwasser-Tarnfahrzeuge angepriesen hatte, ganz persönlich sprechen.
VjaÄeslav schien zufrieden mit seinem grundlosen Mord. Während er sich die Hände an der Uniform der Leiche abwischte, warf er Äerubina einen irren Blick zu.
Sie hatte ihn bereits gehasst, als sie ihm das allererste Mal begegnet war. Ein Hass, der jedoch innerhalb kürzester Zeit in etwas anderes umschlug: zuerst in Hochachtung und dann in Leidenschaft. Auch wenn dieser Mann eine blutgierige Bestie war, musste sie zugeben, dass er sich unglaublich beherrschen konnte. VjaÄeslav erledigte seine Arbeit gern rasch und interessierte sich nicht für die, die seinem Ziel im Weg standen: ob Familienvater oder kleines Kind, machte für ihn keinen Unterschied. Er glaubte, dass es für alle einen groÃen Plan gäbe. Wenn sich einer zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort befand, hieà das für ihn ganz einfach, dass es so geschrieben stand.
»War das wirklich nötig?«, fragte Arvo.
»Er hätte uns nur Zeit gekostet«, erwiderte VjaÄeslav.
Die Finger des Doktors kehrten rasch zur Tastatur zurück. »Ich habâs!«, rief er schlieÃlich und drückte die Eingabetaste.
Neben dem Wachhäuschen öffnete sich lautlos ein Durchgang, der zum Bunker führte.
»Arvo«, befahl Äerubina, »du überwachst die Lage von hier aus.« Dann warf sie einen Blick auf das Chronometer. »In maximal dreiÃig Minuten sind wir wieder drauÃen. Bevor die Wachen das nächste Mal vorbeikommen. Wenn etwas schiefgeht, weiÃt du, was du zu tun hast.«
Arvo nickte, während VjaÄeslav die Tür der Abstellkammer schloss, in der er Evgenijs Leiche versteckt hatte.
»Also los, holen wir diesen verdammten Bühnenprospekt«, sagte VjaÄeslav, während er das gereinigte Messer zurück in die Scheide steckte und seine MP5K entsicherte.
Als die beiden hinausgingen, wechselte Arvo den Fernsehsender. Er hasste Sport und schaltete deshalb die Nachrichten ein. Gerade lief ein Interview mit dem Regisseur Denis Kombarov. Nachdem Catherine Derzhavin bei seinen Dreharbeiten tödlich verunglückt war, wies er jegliche Verantwortung von sich und gab allein der Produktion die Schuld, die, wie er behauptete, an der Qualität der Ausstattung gespart hatte.
Dann wurde ein Elektroingenieur befragt, der erklärte, dass Sabotage absolut ausgeschlossen sei. Arvo lächelte. Es war befriedigend, wenn die eigene Arbeit im Fernsehen gelobt wurde.
14
Usbekistan, Luftraum an der Grenze zu Afghanistan
Samstag, 25. Dezember, 18.01 Uhr
Die Kuh hatte die Wasser des Amu-Darja an der Grenze zwischen Usbekistan und Afghanistan
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