Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Beamte seinen Schalter durch eine
halbhohe Klapptüre im hinteren Bereich und winkte Rabea zu sich.
"Du
entschuldigst mich einen Augenblick, Pepe", rief er seinem bisherigen
Kunden über die Schulter zurück zu. Dabei trug er die hoheitsvolle Miene eines
Mannes zur Schau, der soeben mit bedeutenderen Aufgaben betraut worden war.
Der
mit Pepe Angesprochene schien nicht an Eile zu leiden, er lehnte mit der Geduld
des italienischen Bergbauern lässig am Banktresen und genoss mit sichtlichem
Vergnügen die gefällige Unterbrechung seiner Bankgeschäfte, während sein Blick wohlwollend
auf Rabeas Kehrseite ruhte.
Signore
Frollino führte sie in einen angrenzenden Raum voller alter, ausrangierter
Büromöbel und einer Legion verstaubter Akten, durchquerte diesen und öffnete
mit seinem Schlüssel eine schwere Panzertür, die zwischen zwei überladenen Aktenregalen
beinahe verschwand. Die Tür schwang nach innen mit einem Gänsehaut erzeugenden
Quietschen auf und schrie geradezu nach einer letzten Ölung. Der Raum dahinter
war nur ungefähr zehn Quadratmeter groß, roch muffig und hatte keine Fenster.
Ohne Zweifel würde er auch bei weniger gefährdeten Personen Beklemmung und
Platzangst hervorrufen. Rundherum war er mit nummerierten Stahl-Schließfächern
bestückt. Rabea trat ohne zu zögern über die Türschwelle und suchte mit den
Augen die Reihen der Schließfächer nach der Nummer 34 ab.
Als
sie es gefunden hatte, eilte sie geradewegs darauf zu, bückte sich und steckte
den kleinen Schlüssel, den sie in ihrer Faust geborgen hatte, in den Zylinder.
Sie wollte soeben das Fach öffnen, als ihr bewusst wurde, dass der Bankbeamte
noch immer an der Türe stand und sie beobachtete. Rabea drehte sich zu ihm um
und blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dem Ausdruck in den Augen des
Bankbeamten nach war das Objekt seiner Begierde nicht das Schließfach gewesen.
Der ertappte Signor Frollino räusperte sich entschuldigend und stotterte:
"Also, dann lass ich Sie mal alleine, Signorina. Wenn Sie fertig sind,
kommen Sie einfach zurück in den Schalterraum." Er trollte sich. Rabea atmete
auf, ging zur Tür, um sich zu vergewissern, dass er auch tatsächlich in den
Schalterraum zurückkehrte. Vorsichtshalber lehnte sie die Tür des
Schließfachraumes an, achtete aber darauf, dass sie nicht einschnappte. Sie
hatte nicht vor, in diesem Raum zu ersticken. Schnell ging sie zurück zur
Nummer 34, kniete sich hin und drehte den kleinen Schlüssel zweimal herum. Das
Schließfach war zwar nicht breit, aber sehr tief. Sie zog die eingepasste
Stahlkassette heraus und stellte sie, in Ermangelung eines Tisches vor sich auf
dem staubigen Boden ab. Bisher hatte sie nur agiert, wie es die Situation
erforderte, aber in dem Augenblick, als sie vor dem ungeöffneten Behälter mit
Bentivoglios Vermächtnis kniete, geschah etwas Ungewöhnliches. Ihre Brust wurde
ihr eng und sie bekam nicht mehr genug Luft zum Atmen. Mach dich nicht
lächerlich Rosenthal, du wirst doch jetzt nicht Schiss bekommen, oder? Es
kostete sie all ihre Willenskraft, um die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Da
ihr hierfür keine rationale Erklärung einfallen wollte, schob sie es auf den
fensterlosen stickigen Raum, obwohl sie noch nie zu Klaustrophobie geneigt
hatte. Energisch zwang sie ihre zitternden Hände den Stahlbehälter zu öffnen.
Zunächst fand sie darin eine verbeulte, unverschlossene braune Geldkassette vor
und ein längliches Päckchen, eingewickelt in eine Art Segeltuch. Von diesem
schien eine ungewöhnliche Hitze auszugehen. Vorsichtig öffnete sie zuerst die
Geldkassette. Obenauf lag ein dicker Packen Dokumente, feinsäuberlich mit einem
blauen Band zusammengebunden. Sie bestanden aus handgeschöpftem, schwerem
Pergament. Sie hob den Stapel heraus und darunter fand sie ein dünnes Schulheft
jüngeren Datums. Rabea blätterte dieses flüchtig durch, aber es war von der
ersten bis zur letzten Seite eng in Latein verfasst und sie legte es zur Seite.
Die Kassette enthielt als letztes ein Säckchen aus nachtblauem Samt, das mit
einer verblassten goldenen Kordel zusammengebunden war. Rabea warf nur einen
kurzen Blick auf den Inhalt, ein paar alte Gold- und Silbermünzen und eine
goldene Taschenuhr mit einem auffälligen Wappen. Endlich wandte sie sich dem
Segeltuch zu, unter dem zwei längliche Lederbehälter zum Vorschein kamen.
Bingo. Sie kannte ähnliche Behälter aus diversen Museen für Paläographie. Vor
Aufregung begann ihr Herz gegen ihre Brust zu
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